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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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könnte.
    Derendorf wartet befriedigt, bis wieder neugierige Stille herrscht und fährt fort:
    »Paragraph drei:
    Dies setzt voraus, daß jedes Mitglied unserer Liga auch in eigener Sache absolute Sauberkeit bewahrt, privat wie geschäftlich, in und außer dem Hause.
    Wer dafür ist, bitte, aufstehen!«
    Eine Sekunde lang ist es still. Die Leute sehen sich betroffen an.
    »Bravo!« ruft jemand. »So is richtig!« ein anderer. Und der Beifall bricht los, und keiner bleibt sitzen.
    »Das Programm –« ruft Derendorf, »– das Programm –« er braucht seine ganze Stimme, um sich verständlich zu machen, »– das Programm ist einstimmig angenommen. Wir schreiten nunmehr zum Gründungsakt. Ich bitte die Anwesenden, sich in diese Liste einzutragen.«
    Derendorf reicht die Liste an den ersten Mann in der vordersten Reihe und wartet dann hinter seinem Rednerpult, bis sie umgegangen ist.
    Wenn die Rheinländer begeistert sind, dann werden sie lustig; sie beginnen zu klatschen, aus dem Klatschen wird ein Takt, und aus dem Takt wird ein Schunkeln. Und in einer Ecke beginnt eine Gruppe bereits zu singen: »Es war einmal ein treuer Husar –«
    Derendorf wartet auf die Liste. Was wird man an höherer Stelle sagen? Polizei und Volk zu einer Kampfgemeinschaft vereint! Es stellt sich vor, wie die unverbindlichen und phantasielosen Gesichter im Präsidium aus ihrem Beamtenschlaf aufgeschreckt werden und bestürzt sind durch eine Aktion des Volkes, an deren Spitze der kleine, unbequeme Gendarmeriewachtmeister steht. Mögen sie ihn aus dem Amt entlassen, er wird es in Kauf nehmen und seinen höheren Weg weitergehen.
    Die Liste hat die hinterste Reihe durchlaufen; ein Mann bringt sie zurück zum Rednerpult, verlegen und eilig, weil es im Saal still geworden ist, und man seine Schuhe auf dem Boden hört, und weil alle ihn ansehen.
    Derendorf, die Liste wieder in der Hand, reckt sich in die Höhe: »Ich verkünde die hiermit erfolgte Gründung unserer – unserer – –« Er ist bleich geworden.
    Denn die Liste ist leer.
    Am Rande stehen einsam die fortlaufenden Ziffern, und nur ein einziges Mitglied hat sich eingetragen: Lilo!
    Leise und sanft surrt der Ventilator.
    Die Liste schaukelt zu Boden, und Derendorf steigt wortlos von der Tribüne. Geht durch den Saal, starr an den Menschen vorbei, die betreten vor sich hinsehen, und verläßt den Raum am anderen Ende durch die knarrende Flügeltür.
    Im Halbdunkel des Ganges erwartet ihn Lilo. – »Gehen wir!« sagt Derendorf.
    Sie hält ihn zurück: »Hier können Sie nicht hinaus, auf der Straße stehen die Leute.«
    »Ich habe keinen Grund, mich vor den Leuten zu schämen!« Und er geht weiter dem Ausgang zu. In diesem Augenblick beginnt der Lautsprecher über dem Tor zu rauschen: In die Versammlung gerät wieder Leben. Undeutliche Rufe werden laut. Man hört, wie jemand polternd auf die Tribüne springt, und eine feiste Stimme ist am Mikrophon und wendet sich an die Versammlung:
    »Wollt ihr dat noch weiter dulden? Dat man euere Frauen bespitzelt? Euere Männer ins Kittchen steckt? Euere Kinder zu Denunzianten macht? Wollt ihr weiter Angst und Bange haben, dat man euch anzeigt? Wollt ihr einen Polizeistaat haben?«
    »Nein!« ruft die Versammlung.
    »Wir sind keine Hunde, die sich gegenseitig beschnüffeln, wir sind Menschen!«
    »Menschen!« brüllen die Leute.
    »Und als solche machen wir orjanisierten Widerstand! Und darum sage ich: Nieder mit die Denunzianten!«
    »Nieder!«
    »Nieder mit dem Derendorf!«
    »Nieder!«
    »Es lebe die Freiheit!«
    »Freiheit!«
    Durch den Saal tobt ein Gewitter: »Und darum rufe ich euch auf zur Gründung einer Volksfront gegen Derendorf!«
    Derendorf hat sich an die Wand des Ganges gelehnt, und während über ihm der Lautsprecher brüllt, zündet er sich mit zitternden Händen eine Zigarette an.
    »Was haben Sie jetzt vor?« fragt Lilo angstvoll.
    »Jetzt?« Derendorf sieht sie heiter an und hakt sie unter: »Jetzt gehe ich mit Ihnen spazieren.«
    Lilo weicht zurück: »Das geht nicht. Ich möchte nicht, daß man uns zusammen sieht.«
    Er läßt Lilos Arm fahren: »Ach so. Ich hatte das bereits vergessen. Volksfront gegen Derendorf!«
    Lilo sieht traurig an ihm vorbei. »Nun verstehen Sie mich nicht. Aber das ist gut so.«
    Derendorf geht allein durch den Ausgang. Die Menschen lassen ihm eine Gasse. Eine alte Frau lacht. Die welken Blätter schaukeln von den Bäumen.
    ***
    Trübes Nachmittagslicht dringt durch die Fenster der Wachstube.

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