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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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dazwischen bewegt sich ein Kellner, mit Brille und in zu engem Frack, nimmt Bestellungen auf für Mokka, Sherry und Cocktails, horcht zuweilen mit einem halben Ohr nach hinten und notiert. Nimmt geduldig Zurechtweisungen entgegen, weil er mit dem Tablett wackelt und Kognak verschüttet.
    Neben dem Büfett hängt eine schwarze Tafel, auf die eine flinke Hand die Kurse der Beamtenwohlfahrt notiert: Regierungsräte: 17% (+ 1,5), Richter, obere: 10% (fest), Richter, untere: 11,5% ( + 0,5), Kriminalassistenten: 48%.
    Da läutet jemand dezent mit einer Glocke. Es wird still, und auf einem kleinen Podest hält ein durchgeistigter Herr ein Referat: ›Die Illegalen.‹ Dann besteigt ein distinguierter Herr das Podium: »Meine hochwohlgeborenen Geschäftsfreunde. Auf Grund der letzten Ereignisse kommen wir nun zum Punkt drei der Tagesordnung: zum Fall Wachtmeister Derendorf.«
    Die Leute haben sich leise in die Sessel gesetzt, nur der kleine alte Herr mit welligem Haar ist stehengeblieben, zieht die Augenbrauen hoch und lächelt überlegen: »Ich weiß nicht, was se wollen. Der Derendorf is e rechtschaffener Mensch. Und wenn se wären alle so, de Beamten, würde es besser aussehen im Land.«
    Ein reiferes Fräulein in blonden Schnecken ruft mit Frauenschaftsstimme: »Das ist ja gerade die Gefahr!«
    »Stellen Sie sich vor, die Beamten würden alle so wie Derendorf!« schreit ein junger Mann mit Pausbacken.
    »Derendorf erhöht unser Risiko!« ruft ein anderer.
    »Mit dem Risiko steigen die Preise!«
    »Die Preise steigen bereits wieder«, jammert eine Dame.
    Und ein Baß: »Das macht nichts, die Reichen können sich's ja leisten.«
    »Aber die Minderbemittelten«, ein junger Mann ist aufgesprungen, »denken Sie an die Minderbemittelten! Die können nicht mithalten!«
    Eine Stentorstimme: »Es wird ein soziales Problem!«
    Ein schrille Frau: »Ein soziales Problem! Denn gerade die kleinen Leute machen unseren Umsatz!«
    Ein Mann mit Stiernacken verschafft sich Gehör: »Und wir haben ein gutes Recht auf Umsatz! Wovon sollen wir sonst leben? Wir! Leute, die einmal etwas gelernt haben und heute nicht mehr dürfen.«
    Ein schmächtiger Brünetter: »Und wir! Leute, die früher nichts lernen durften und heute deshalb nichts anderes können.«
    »Was Derendorf macht, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!«
    Die Glocke läutet Ruhe. Der Herr auf dem Podium wartet, bis es still ist: »Darüber sind wir uns einig. Ich bitte nun um Vorschläge zur Abhilfe.«
    Durch den Saal geht ein nachdenkliches Räuspern. Ein Herr mit leerem Gesicht erhebt sich: »Meine Damen und Herren! Als ehemaliger Regierungsrat darf ich Ihnen aus der Zeit meiner großdeutschen Tätigkeit ein Mittel empfehlen, das sich in kleinen Geschäften und in der großen Politik als unwiderstehlich bewährt hat: Die Bestechung!«
    Der kleine alte Herr steht immer noch vorn und lächelt: »Wie wollen Se bestechen den Derendorf? Der nimmt Se fest. Denn will er nicht machen e Geschäft, und will er nicht machen Politik, sondern er hat e Idee!«
    Ein Herr mit niedriger Stirn und haarigen Händen hat sich erhoben: »Geehrte Anwesende – dreißig Jahre war ich Studienrat an einer Knabenschule. Ich kenne die Psyche. Es gibt ein Mittel, das selbst den Strebsamsten von seiner Arbeit abzubringen vermag: Das Sexuelle! Schicken wir Derendorf ein schönes Weib auf den Hals!« Er setzt sich und leckt sich die Lippen.
    Der alte kleine Herr schüttelt den Kopf: »Das können Se machen mit de Schüler. Aber was is e richtiger Mann, der geht erst richtig los, wenn er hat e Geliebte, dann will er werden e Held.«
    Eine stattliche Dame mit enormer Bluse erhebt ihre tragende Stimme: »Dann werden wir das Gegenteil vollbringen; wir werrden krräftige Männerr engagieren, die diesem Unhold nächtlich auflauern und ihn prrügeln!«
    Der kleine alte Herr lächelt ironisch: »Frau Kammersängerin, de Gewalt mer überlassen de Leit, die nicht haben de Intelligenz für e besseres Mittel.«
    Ein Herr mit breitem Gesäß und kleinem Kopf, der aussieht wie ein Türmchen: »Geschäftsgenossen und Geschäftsgenossinnen! – Als der Führer am dreißigsten Januar neunzehnhundertdreiunddreißig die Macht übernahm, haben wir unser Volk als solches kennengelernt. Jeder bewährte sich als fügsamer Volksgenosse, sobald sich sein Einkommen erhöhte, er richtete seine Weltanschauung aus, sobald er einen Posten bekam. Ich schlage deshalb vor, dem Derendorf eine gute Stellung zu verschaffen.«
    Der Herr

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