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Heinrich Spoerl

Heinrich Spoerl

Titel: Heinrich Spoerl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ADMIN JR.
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hinter sich haben, sonst bleiben Sie ein einzelner, ein armer Mann.«
    Die Bevölkerung?
    Das Licht im Stationshäuschen verlischt, jemand schließt ab und geht nach Hause.
    »Ich würde an Ihrer Stelle einmal darüber nachdenken«, flüstert Lilo.
    »Ja«, flüstert Derendorf zurück, »ich bin froh, einmal mit Ihnen ganz allein zu sein.«
    Lilo wendet lächelnd ihren Kopf. »Wollen Sie mir etwas sagen?«
    Sie bekommt keine Antwort.
    »Nun, sagen Sie es doch!«
    Derendorf gibt noch immer keine Antwort. Er ist eingeschlafen.
    Da zieht sie ihn sanft zu sich herab, bettet seinen Kopf in ihren Schoß und deckt Derendorf behutsam mit ihrem Mantel zu.
    ***
    Derendorf ruft das Volk auf.
    Er hat lange über die Farbe der Plakate nachgedacht. Gladbach riet zu Rot, das ins Auge fällt; da aber alle Plakate auffällig sein sollen, sind sie alle rot und fallen nicht mehr auf. Neuß hielt mehr von Schwarz-Weiß-Rot, das erwirke das Vertrauen der alten Leute und errege die Hoffnung der Jungen und sei die Farbe der Unzufriedenen.
    So leuchten eines Sonntag morgens von allen Häuserflächen und Lattenzäunen hoffnungsgrüne Plakate:
    Kampf gegen Unlauterkeit und Korruption!
Gründung einer Liga!
Volksversammlung im Goldenen Anker!
    Die Leute stehen in Sonntagsgewändern davor und lachen. Ein Verein? Der kostet nur Beiträge und man muß mitmachen! Eine neue Partei? Davon hat man genug, und man möchte nicht wieder Mitläufer werden. »Gehst du hin?« – »Ich bin doch nicht jeck!« – »Du vielleicht?« – »Meinste mich?« Und dann kommen die Kinder und malen mit Blaustift Männchen auf das schöne Grün, und ›lisa ist doof‹!
    Aber am Abend drängen die Menschen durch die Türen des Goldenen Ankers und kämpfen um die Plätze auf den provisorisch zusammengestellten Gartenstühlen im Tanzsaal. Das alte Fräulein Zartkirchen, Schwester vom Roten Kreuz, wird verständigt und erscheint mit ihren zwei Verbandpäckchen und den Baldriantropfen. Auf der Straße randalieren die Leute, die nicht mehr hineinkommen. Sehen aber zu ihrer Beruhigung, daß der junge Kampendonk des Elektroinstallationsgeschäftes Radio-Doktor bereits Mikrophon und Lautsprecheranlage vom Tanzsaal ins Freie gelegt hat. Der Lautsprecher kracht in die Straße hinein, die Leute drängen sich um ihn und hören ihren Gendarmeriewachtmeister, der drinnen auf dem Musikpodium des Tanzsaales steht, zwischen dem beiseite geschobenen Klavier und den leeren Notenständern:
    »– und so habe ich Sie zusammengerufen. Und ich frage Sie: Wer von euch ist noch nicht bestohlen worden? Wer von euch wird nicht tagtäglich betrogen? Wer von euch scheitert nicht in gerechter Sache an der Korruption der Behörden? Oder geht gar nicht mehr erst hin, weil er sich nicht dagegen wehren kann?
    Seid ihr gewillt, dies weiter zu dulden? Noch länger zu stöhnen unter der Herrschaft der Korruption und Bestechung?
    Wollt ihr weiter um euer Hab und Gut bangen?
    Und wollt ihr, daß euere Kinder in dem giftigen Schlamm der allgemeinen Unredlichkeit aufwachsen und das Gefühl verlieren für Gut und Böse?«
    »Nein!« schreien die Leute und sind überzeugt und entschlossen.
    »Sagt mir nicht, die Menschen sind schlecht, weil die Zeiten so sind! Die Zeiten werden nicht besser, solange die Menschen sich nicht bessern.
    Wer soll hier helfen?
    Die Regierung ist zu schwach.
    Die Behörden sind wurmstichig!« Derendorf hat das Rednerpult verlassen und tritt an den Rand der Tribüne:
    »Das Volk ist der Träger der Moral!
    Das Volk muß sich selber helfen, sich zusammenschließen zum einmütigen Kampf gegen die Verrottung.
    Irgendwo muß einmal angefangen werden. Fangen wir bei uns an, jawohl bei uns! Und darum habe ich euch aufgerufen zur Schaffung eines Volksbundes, zur Gründung einer Liga gegen Unlauterkeit und Korruption.«
    Durch den Tanzsaal tobt brausender Beifall, und die Gartenstühle geraten aus den Reihen.
    »Das Statut soll lauten:
    Paragraph eins:
    Unsere Liga verurteilt jede Art von Unlauterkeit, gleichviel, unter welchen Umständen, in welcher Form und durch wen sie begangen wird.«
    »Heil!«
    »Paragraph zwei:
    Jedes Mitglied unserer Liga nimmt deshalb die Verpflichtung auf sich, von jeder Unredlichkeit, von jedem Vergehen und jedem Korruptionsfall, der ihm direkt oder indirekt zur Kenntnis gelangt, unnachsichtig und sofort Anzeige zu erstatten.
    Wer dafür ist, bitte, aufstehen!«
    Die Versammlung erhebt sich wie ein Mann, und ein jeder überlegt bereits, wen er anzeigen

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