Heiß wie der Wuestenwind
Tafelgefährten sehr weit zurückreicht, bis in vorisla mische Zeiten. Aber damals waren sie nur dazu da, dem König bei seinen Zerstreuungen Gesellschaft zu leisten. Von den Regie rungsgeschäften wurden sie gezielt fern gehalten. Heutzutage stellen sie ja so etwas wie ein Regierungskabinett dar, das dem Prinzen beim Regieren hilft. Die meisten von ihnen haben ganz bestimmte Aufgaben, und sie haben großen Einfluss, nicht nur hier, auch im Ausland. Und sie sind hundertprozentig loyal, untereinander und dem Prinzen gegenüber."
Lisbet hätte am liebsten geschrieen, sie solle den Mund halten. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihr Spiegelbild und zog die Lippen nach.
„Und reich ist er auch, Lisbet, seit sein Vater tot ist, und, so heißt es, überaus großzügig. Er gibt das Geld mit vollen Händen aus. Diese Stories in den Zeitungen sind anscheinend gar nicht so übertrieben.
Vor kurzem hat er in einer einzigen Nacht eine halbe Million Barakatis in einer Spielbank gelassen, so als sei das gar nichts. Wenn du es richtig anstellst, kannst du ein schönes Sümmchen für dich herausschlagen, als Polster fürs Alter."
Tina hielt inne, als sie bemerkte, welchen Lippenstift Lisbet gewählt hatte. Ein zartes Rosa. Sie hätte zu dieser Aufmachung Weinrot genommen.
„Und als sei das alles nicht genug, ist er auch noch unglaublich sexy", fuhr sie fort. „Wenn ich nur daran denke, wie er dir nachgaloppiert ist ... Wow! Wir waren alle kurz davor, in Ohnmacht zu fallen.
Und als er dich auch noch im fliegenden Galopp aufs Pferd hob, oh, Mann! Was hat er gesagt, als er dich auf dem Pferd hatte?"
„Nicht viel." Lisbet legte den Pinsel ab und begutachtete das Resultat. „Jedenfalls kein Wort der Entschuldigung dafür, dass er mein Leben mit einer Zirkusnummer aufs Spiel gesetzt hat."
„Nun, wenn er wieder einmal Lust auf so einen Stunt hat, soll er sich ruhig an mich wenden", sagte Tina. „Hast du übrigens gewusst, dass er 1996 als Springreiter bei der Olympiade Gold für die Barakatischen Emirate gewonnen hat? Und in seinen wilden Jahren, als er in den Staaten studiert hat, hat er die Semesterferien immer bei einem Zirkus oder Rodeo oder so was verbracht."
Das alles wusste Lisbet, aber auf keinen Fall wollte sie riskie ren, dass man sich am Set über ihre ehemalige Affäre mit Jafar das Maul zerriss.
„Ein Rodeo wäre genau das Richtige für ihn. Ich frage mich, warum er nicht dabei geblieben ist", erwiderte sie trocken. Sie stand auf und betrachtete sich im Spiegel. Sie trug eine lange Hose und darüber eine knielange Tunika, beides aus heller Seide, nur ein oder zwei Schattierungen dunkler als ihr blondes Haar.
„Das kann nicht dein Ernst sein! Dieser Mann hat doch einen wahnsinnigen Sex Appeal, Er erinnert mich an den jungen Bel-mondo oder den jungen Delon." Tina half Lisbet in den Seidenmantel, der das Ensemble vollkommen machte. „Oh, ich wünschte, er wäre hinter mir her!"
„Er ist nicht hinter mir her!" sagte Lisbet genervt und nahm ihre Abendtasche. Tinas Geplapper machte sie noch nervöser, als sie ohnehin schon war. Warum hatte sie nur vor diesem lächerlichen Ultimatum kapituliert? Das hätte er doch niemals wirklich durchgezogen. Wieso war ihr das nicht sofort klar geworden?
Vielleicht weil sie ihn noch ein letztes Mal sehen wollte.
„Wie dumm von mir, das zu denken", konterte Tina ironisch. „Sicher will er dir nur sagen, dass du auf seinem Grund und Boden nichts zu suchen hast, was? Wusstest du, dass der ganze Strand hier ihm gehört?" fügte sie hinzu. „Wir befinden uns auf seinem Territorium."
Lisbet begutachtete sich im Spiegel. Sandaletten und Handtasche passten farblich genau zu der hellen Seide. Ihr langes blondes Haar war mit einem schmalen, geflochtenen Seidenband im selben Farbton zurückgebunden. Sie hatte all das mit Bedacht ausgewählt, weil es schlicht und elegant war und man nicht einmal den Verdacht haben konnte, sie wolle aufreizend und sexy wirken. Dazu trug sie schmale Ohrstecker aus gehämmertem Gold, eine zarte Goldkette und am Mittelfinger ihrer linken Hand einen mit Perlen besetzten Ring.
„Sie sehen fantastisch aus!" sagte Tina, klang aber etwas enttäuscht. Sie wünschte, Lisbet würde wenigstens ihr Haar offen tragen oder ihrem eintönigen Outfit mit einem Farbtupfer mehr Wirkung verleihen. Sie sah aus, als wolle sie ihre enorme Weib
lichkeit um jeden Preis verleugnen.
Wahrscheinlich war sie nervös. Jedenfalls wusste sie sonst immer genau, wie sie ihre
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