Heiter. Weiter.
Er bringt mich nach Klingenberg und hinauf in die Weinberge. Hier unterhält der Spessartbund ein Heim, in dem sich hungrige Wanderer stärken können - falls geöffnet. Angemeldete Gruppen dürfen übernachten.
Was in Deutschland meist fehlt, sind einfache und bezahlbare Übernachtungsmöglichkeiten. Dem Pilger wird, je nachdem wo er seine Wanderung beginnt, mehrere Wochen lang sich Abend für Abend die Frage der Unterkunft stellen. Wer finanziell gut ausgestattet ist und sich täglich ein Hotelzimmer leisten kann, hat Glück - er braucht jetzt einige Zeilen nicht weiterzulesen.
Selbstverständlich gibt es Pensionen mit Gästebetten. Ich habe jedoch die Erfahrung machen müssen, dass oft deren Betreiber an Gästen, die nur eine Nacht bleiben wollen, nicht interessiert sind. Beliebt sind Urlauber im rot-weiß karierten Hemd, die mit dem dicken Wagen vorfahren, zu zweit zwei Wochen bleiben und zum Abschied noch die hausgemachte Marmelade kaufen. Fernwanderer werden als Tippelbrüder betrachtet.
Der Weg führt mich um Großheubach herum zum Kloster Engelberg. Bei der Wahnsinnshitze an den ersten Tagen bin ich mit meiner Kilometerleistung zufrieden. So darf ich ein wenig verweilen und die Fernsicht genießen - bei Edamer, köstlich gewürztem Brot und einem kühlen Krug aus der Klosterschänke.
In Miltenberg, kaum ist das Zelt aufgebaut, verdunkelt sich der Himmel. Streifen in Ocker giften in der Ferne. Erfahrene deuten das schwarz-gelbe Bündnis als Alarmsignal. Und schon geht es los: Hagelkörner beulen Caravans, Windstöße zerfetzen Planen von Vordächern, Regengüsse setzen einen Teil des Campingplatzes unter Wasser. Ich finde Unterschlupf und roten Wein bei Dauercamper Hannes. Er möchte im Herbst auf dem spanischen Jakobsweg gehen. Wir haben Zeit für Gespräche und Getränke bis der Regen endet. Sorgenvoll kehre ich zum Zelt zurück. Es steht noch! Auch meine Schuhe hat der Sturm verschont. Ein Verlust hätte mich zur Aufgabe der Wanderung gezwungen. So schnell kann das Ende da sein.
Den Gedanken an den Tod verdrängen Menschen gerne
Da das gestrige Unwetter vermutlich im Wald Bäume entwurzelt hat, entscheide ich mich für den Weg durch die Aue. Mit Miltenberg verlasse ich das Maintal und wandere ins Tal der Mud. Die Grenze zwischen Weilbach und Amorbach geht mitten durch die Klosterruine. Beide Orte teilen sich die Restaurationskosten. Was trennt, verbindet auch.
Durch Schrebergärten führt ein Pfad in den Wallfahrtsort Schneeberg, den ich entlang des Marsbaches wieder verlasse. Eine schlichte Skulptur erinnert den Vorbeigehenden an die Vergänglichkeit des Lebens. Ich deute die unterschiedlich langen Metallstäbe als Familie. Die kurzen Stücke sind die Kinder. Ein Stab ist gebogen, einer liegt am Boden - Alter und Tod. Die sind für die Familie keine Unbekannte, sondern Teil ihres Lebens. Doch die Menschen verdrängen gerne den Gedanken an den Tod.
Die Temperatur ist nicht mehr so hoch wie in den vergangenen Tagen, Wanderwetter. Ich verspüre Hunger. In Rippberg ist Zeit für eine Pause. Im dortigen Wirtshaus soll eine italienische Familie kneten und backen. Auf dem Weg dahin überlege ich, welches Essen sinnvoller ist für einen Wanderer: Nudeln oder Salat. Oder beides? Die Entscheidung wird mir abgenommen, das Lokal hat geschlossen. Eine hilfsbereite Nachbarin bittet mich in ihr Haus und fragt, was ich trinken möchte, bietet mir auch vom Spargel in ihrem Kochtopf an. Suchet, so werdet ihr finden!
Knapp zwei Stunden später stehe ich an der Rezeption der Jugendherberge Walldürn. Jugendherbergen bieten ausgezeichnete Möglichkeiten zum Übernachten. Sie haben nichts mehr mit unseren Erinnerungen an Klassenfahrten zu tun. Die heutigen Herbergen sind moderne Unterkünfte mit netten Herbergseltern. Meistens. Der Gast muss nicht spülen oder Toiletten reinigen. In manchen Herbergen gibt es sogar Einzelzimmer und Familienräume. Aus Hygienegründen darf der eigene Schlafsack nicht verwendet werden, Bettwäsche wird gestellt. Das hat seinen Preis: Erwachsene zahlen für eine Übernachtung mit Frühstück etwa 25 Euro.
Jugendherbergen stehen nur Mitgliedern offen, ohne Jugendherbergsausweis ist nichts zu machen. Mit diesem Ausweis kann man weltweit in allen Herbergen übernachten. Weltweit? In Bayern war das früher für Erwachsene nicht möglich. Man hat es geändert: Senioren finden jetzt in Herbergen Einlass, Jugendliche haben aber Vorrang. In Frankreich und Spanien jedenfalls können Pilger in
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