Helden
Ich setze den Stofflöwen aufs Bett. Ich hebe Papierschnipsel auf. Ich stopfe wütend die schmutzige Wäsche in den Wäschesack. Ich falte meine Pullover. Ich streiche die Bettdecke glatt. Ich schleppe den schweren Staubsauger in mein aufgeräumtes Zimmer und sauge so lange, bis meine Wut kleiner wird. Es tut richtig gut, Krach zu machen.
BLUT
Als ich zurückkam, war Thiemanns Garage ein Lazarett. Felix Vorhelm lag zusammengekrümmt auf Minkas Katzendecke und stöhnte. Lukas Trietsch saß auf den Winterreifen und hielt sich die Hand vor die Nase. Von seinen dicken Fingern tropfte Blut. Überhaupt war überall Blut. Sogar die kleinen Katzen hatten Blutspritzer auf dem seidigen Fell. Corinna lief von Felix zu Lukas und versuchte verzweifelt, mit einem schmutzigen Lappen das Blut wegzuwischen.
»Gut, dass du da bist, du musst dich um Felix kümmern«, sagte sie.
»Wo ipft mein Notipfbuch?«, flüsterte Felix, als ich mich über ihn beugte.
»In Sicherheit«, sagte ich, und dann wurde mir schlecht. Felix’ Lippe war doppelt so dick wie sonst, und ein mit Spucke vermischter Blutfaden lief langsam am Kinn herunter.
Ich öffnete das Garagentor und schnappte nach Luft.
»Wer hat denn gewonnen?«
»Keiner«, sagte Corinna.
»Und jetzt?«
»Ich werde verraten, dass ihr Fräulein Fontana heimlich beobachtet, wenn ich nicht mitmachen darf«, drohte Lukas Trietsch.
»Das glaubt dir sowieso keiner«, antwortete ich. »Im Gegenteil. Wir werden sagen, dass du ein Spanner bist.«
»Gamf genau«, sagte Felix. »Du hapft keine Champfe.«
»Ich mach euch fertig«, sagte Lukas Trietsch.
»Leg lieber den Kopf in den Nacken«, meinte Corinna. »Dann hört dein Nasenbluten auf.« Sie nickte mir zu, und wir gingen nach draußen.
»Das kann so nicht weitergehen«, flüsterte sie. »
Wir
müssen jetzt entscheiden. Die Jungen kriegen das alleine nicht hin.«
»Aber du willst doch auch nicht, dass er bei uns mitmacht.«
»Vor allen Dingen will ich keinen Ärger. Und glaub mir, Lukas, der lässt nicht locker.«
Das stimmte. Lukas würde nie im Leben aufgeben. Er würde uns bespitzeln, er würde uns belauschen, und wir würden keine ruhige Minute mehr haben. So viel war sicher.
»Denk an das Feuer«, flüsterte Corinna. »Stell dir vor, er kriegt raus, dass wir das waren.«
»Wie denn?«
»Weiß ich doch nicht. Aber wenn er uns belauscht?«
»Wir reden einfach nicht drüber.«
»Und wenn doch ... irgendwann ... irgendeine blöde Bemerkung? Das kann doch jedem passieren.«
Corinna hatte recht. Verdammt noch mal, sie hatte recht. Es könnte so passieren. Es könnte alles auffliegen. Und dann wären wir geliefert.
»Wenn die den zu fassen kriegen, der das zu verantworten hat, dann muss der den ganzen Feuerwehreinsatz bezahlen«, hatte Frau Trietsch an der Fleischtheke zu meiner Mutter gesagt. »Das sind über zehntausend, Frau Besler. Mein Mann kennt sich da aus. Das kann der doch nie bezahlen.« Ich wusste genau, dass Frau Trietsch einen Verdacht hatte. Alle Erwachsenen hatten einen Verdacht, obwohl niemand einen Namen nannte. Sie sagten nur »der« oder »er« oder »der Feuerteufel«.
»Also was nun?«, fragte Corinna. »Bist du dafür?«
Ich zuckte die Achseln. »Weiß nicht.«
»Wenn du Ja sagst, sind wir die Mehrheit.«
»Und wenn Felix nicht will?«
»Er muss wollen«, sagte Corinna.
7
Sie streiten wieder.
Ich liege im Bett und versuche, nichts zu hören. Aber die Stimmen im Wohnzimmer werden immer lauter. Natürlich geht es um mich.
»Das kennt man ja! Deine Trägheit! Deine ewige Vogel-Strauß-Politik!« Mamas Stimme ist hoch und schrill.
»Du bist doch eine Glucke. Du willst das Kind doch nur klein halten«, brüllt Papa.
»Jemand, der aus solchen Verhältnissen kommt, ist kein Umgang für Mia. Guck dir die Frau doch an. Die Frau nimmt Medikamente! Die Frau ist doch nicht mal in der Lage, ein vernünftiges Mittagessen zu kochen.«
»Na und? Schließlich ist Mia mit dem
Jungen
befreundet, nicht mit der Mutter. Und für ihr Mittagessen sorgst ja wohl du.«
»Frau Trietsch hat erst gestern wieder das Jugendamt angerufen.«
»Frau Trietsch!«, brüllt Papa. »Frau Trietsch! Die hat dir doch ins Hirn geschissen, deine Frau Trietsch!«
»Gisbert! Nicht in diesem Ton!«
Mamas Stimme wird leiser. Jetzt bin ich glockenwach. Leise stehe ich auf und schleiche auf Zehenspitzen über den Flur.
»Deine Tochter hat nicht nur Geld von diesem Brüning genommen, deine Tochter begleitet ihn dafür sogar in die
Weitere Kostenlose Bücher