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Helden

Helden

Titel: Helden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Richter
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ausgemalt, wie es sein würde, eine Freundin zu haben, mit der ich ausreiten könnte. Ich war sicher, Corinna würde in einem Haus wohnen, das wie ein Schloss aussah, mit einem Park und einer hohen Mauer drum herum. Neben dem Schloss wäre der Pferdestall. Corinna würde ein Zimmer bewohnen mit rosa Wänden und einem Kronleuchter, und wir würden zusammen in einem riesengroßen Himmelbett schlafen.
    Auch wenn alle sagten, man würde gelb vor Neid, bei mir war das anders. Mein Neid war rot gewesen und hatte wie ein Feuer in mir gebrannt.
    Jetzt war das Feuer gelöscht. Mit einem einzigen Satz von Frau Trietsch.
    Kein Schloss, kein Pferd, kein Himmelbett. Kein Ausritt in die sinkende Abendsonne.
    Alle Träume waren zerplatzt mit einem einzigen »Der kommt nicht zurück«.
    Es war, als hätte der Sommer sich für immer hinter den grauen Regenwolken versteckt, die nach dem Gewitter aufgezogen waren. Der blaue Himmel blieb verschwunden. Die große Hitze war vorbei. Felix Vorhelm, Corinna Thiemann und Lukas Trietsch hatten sich in Luft aufgelöst. Ich saß in meiner Zimmerhöhle und wartete. Aber nichts passierte. Das Telefon klingelte nicht. Niemand schellte Sturm an der Korridortür. Nicht einmal das Unheimliche zeigte sich. Die Langeweile schob sich unter meiner Zimmertür durch und machte mich müde. Ich lag auf meinem Bett. Ich versuchte nachzudenken.
    Was ist besser, dachte ich, einen Vater zu haben, der feige und vorsichtig ist, der Angst vor Polizeiautos hat und bei einem bleibt? Oder einen Vater zu haben, der in der Wüste ein Schweinegeld verdient, mit schwarzen Mambas kämpft und nicht mehr nach Hause kommt?
    Ich wusste es nicht. Je länger ich drüber nachdachte, desto größer wurde das Durcheinander in meinem Kopf. Eigentlich war mein Vater ja auch nicht da.
    Eigentlich wusste er nichts von mir. Er wusste nicht, was ich machte, er wusste nicht, was ich dachte, er wusste nicht, wovor ich mich fürchtete.
    Als ich noch klein war, hatten wir immer »Hein Blöd und die kleine Robbe« gespielt. Papa war Hein Blöd gewesen und hatte so getan, als ob er nichts wüsste. Ich war die kleine Robbe und musste ihm alles erklären.
    »Mann, Hein Blöd, ein Butterbrot ist zum Essen da.«
    »Ach nee, ich dachte, damit wischt man den Teller ab!«
    Oder er sagte: »Kleine Robbe, komm schnell! Kleine Robbe, ich habe eine Riesenschlange gefunden!«
    »Aber Hein Blöd, das ist doch unser Staubsauger.«
    »Nein, kleine Robbe, das ist eine Riesenschlange, die gerade einen Elefanten gefressen hat! Jetzt will sie auch noch das Sofakissen fressen! Hilfe, kleine Robbe, du musst es festhalten!«
    Das Sofakissen hatte am Staubsaugerrohr geklebt, ich hatte gezogen und gezogen, und Papa hatte sich schlappgelacht, bis Mama kam und einfach den Stecker aus der Steckdose zog.
    »Müsst ihr denn immer so albern sein, Gisbert? Du wolltest dem Kind doch helfen, das Zimmer aufzuräumen.«
    »Aye, aye, Sir«, hatte Papa gelacht und salutiert, und Mama war wutschnaubend in die Küche gestürmt.
    »Nimm dich ja vor Meister Proper in Acht, kleine Robbe. Mit dem ist nicht zu spaßen.«
    Als mein Vater noch Hein Blöd spielte, konnte ich ihm alles erzählen, weil ich genau wusste, dass er zu mir halten würde. Einmal hatte er mich sogar gerettet, obwohl ich gar nicht in Gefahr war. Ich konnte ja schwimmen. Ich hatte nur ausprobiert, was passieren würde, wenn ich um Hilfe rief.
    Wir waren am Baggersee gewesen. Ich war allein im Wasser. Papa lag am Ufer auf der Decke und las in einem Buch. Da hatte ich »Hilfe!« gerufen, einfach so: »Hilfe, Papa, Hilfe!« Und Papa war aufgesprungen, mit Riesenschritten ins Wasser gerannt und war um mein Leben geschwommen. Er hatte mich gepackt. Er hatte mich ans Ufer getragen.
    Und ich hatte die Angst in seinen Augen gesehen und mich furchtbar geschämt, aber trotzdem: Es war ein verdammt gutes Gefühl, zu wissen, dass mein Vater mich retten würde.

9
    Man weiß ja auch nicht, was in so einem Kopf vorgeht«, sagt Mama. Schon seit einer halben Stunde hat sie den Telefonhörer ans Ohr gepresst. »Natürlich ist das noch nicht erforscht ... Genau ... und dann diese Medikamente ... Das kann ein Segen oder ein Fluch sein. Man weiß es eben nicht ...«
    Ich bin ins Wohnzimmer gekommen, weil ich meine Haarspange suche. Mama wedelt mit der freien Hand und scheucht mich weg. Ich schließe die Wohnzimmertür und presse mein Ohr ans Holz.
    »Der Junge tut mir wirklich leid«, sagt Mama. »Bei einer so kranken Mutter leben zu

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