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Hemmersmoor

Hemmersmoor

Titel: Hemmersmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kiesbye
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auszog, hatte ich mich nicht einmal bewegt. Ich lag einfach auf dem Rücksitz und wartete, bis er fertig war.
    Alex stieg wieder ein, legte sich schwer auf mich und zwang sich in mich. Er schaute mich nicht an. Er hielt den Kopf zur Seite gedreht und schien aus dem Rückfenster zu blicken. Er versuchte nicht, mich zu küssen.
    Als er fertig war, blieb er auf mir liegen. Durch das Fenster konnte ich einen schmalen Streifen des Himmels sehen, dann schoben sich Alex’ Kopf und sein geöltes Haar in mein Blickfeld. Die Sängerin bekam viel Applaus für eine Ballade von einem einsamen Matrosen und trällerte anschließend ein Lied vom Klabautermann. Das Publikum fiel in den Refrain ein.
    Ich hatte mir vorgestellt, dass Alex sofort aufstehen und sich wieder anziehen würde. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich schlagen würde. Ich hatte mir vorgestellt, dass er, sobald er fertig war, wieder auf dem Fahrersitz Platz nehmen würde. Doch er setzte sich nur auf, hängte seine Beine nach draußen, steckte den Kopf hinaus und starrte in den Himmel. Das Publikum wurde immer lauter und klatschte zu dem Lied vom Klabautermann, und in dem Moment, als mir klar wurde, dass ich keine Ahnung hatte, was Alex von mir wollte und was er vorhatte, schien es, dass ich den Verstand verlieren müsste. Ich war vor Furcht gelähmt gewesen, aber ich war irgendwie auch stolz auf mich gewesen, stolz, dass ich nicht geschrien und geweint hatte, dass ich ihm keinen Grund gegeben hatte, mich zu schlagen. Aber nun saß er zu meinen Füßen, eine Hand auf meinem Bein und sank in die Polster zurück. Ich wusste nicht, ob er schlief, er saß neben mir, und seine Hand rutschte mir zwischen die Beine, sie fühlte sich warm an. Er hielt die Augen geschlossen und atmete ganz ruhig.
    In jenem Moment verließ ich meinen Körper, und vielleicht bin ich nie wieder zurückgekehrt. Das Musikprogramm endete, ein neues begann, diesmal eine Oper, und die Leute im Publikum hüstelten alle und waren dann still, und darauf setzten die Instrumente ein. Alex und ich lagen auf dem Rücksitz, es fing zu tröpfeln an, wenig später hämmerte der Regen auf das Wagendach. Die Musik machte mir Angst, die strahlenden Bläser, die Geigen, die lachenden Stimmen der Sänger. Ich wollte das Radio ausschalten, aber ich konnte nicht. Ich wollte aufstehen und die Oper ausschalten, aber ich wollte Alex nicht alarmieren. Ich konnte ihn jetzt riechen, es war ein fürchterlicher Geruch. Alex war verschwitzt und sein Schweiß hatte sich mit seinem Rasierwasser gemischt. Seine Wangen waren weich. Er hatte eine Stupsnase mit großen Poren und dicke, fleischige Lippen. Seine Ohren waren klein und fett.
    Zuletzt seufzte er und stand auf und summte leise zur Musik. Er schaute sich nach mir um, und erst jetzt bemerkte ich, wie starr ich da lag. Ich war wie eine Holzpuppe, die er auf die Rückbank geworfen hatte.
    Alex zog sich langsam die Hosen an. Er suchte nach seinem Hemd; sein Haar stand in der Mitte gerade hoch, wie der Kamm eines Hahns. Und als ob ihm das selber aufgefallen wäre, glättete er es mit beiden Händen. Dann nickte er, vielleicht suchte er nach den geeigneten Worten, aber stattdessen fing er zu pfeifen an; mit zu viel Luft, um einen klaren Ton hervorbringen zu können.
    Er knöpfte sich das Hemd zu, zog die Krawatte fest und schritt zur Kühlerhaube. Ich lag noch immer auf dem Rücksitz. Panik überkam mich, als ob ich erst jetzt völlig begriff, was passiert war. Aber ich konnte mich noch immer nicht rühren. Die kleinste Bewegung würde mich entzweibrechen.
    »Sitzt meine Krawatte gerade?«, fragte Alex. Sein Kopf erschien erneut in der Tür.
    Ich schüttelte den Kopf. Vorsichtig, Zentimeter um Zentimeter, zog ich mein Kleid herunter. Er schien es nicht zu bemerken.
    »Könntest Du…?«, fragte er.
    Ich setzte mich auf, seine Nässe tropfte aus mir. Ich unterdrückte einen Schrei. Vorsichtig stieg ich aus dem Wagen und rückte Alex’ Krawatte zurecht.
    »Danke.« Er drehte sich um, kugelte mit den Schultern, drehte seinen Hals, prüfte, ob sich alles richtig anfühlte. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Auf der Straße zum Gut war sonst überhaupt kein Verkehr, kein Fahrrad oder Pferdewagen. Es regnete noch immer, aber das schien Alex nicht zu stören. »Als Junge wollte ich immer unter deine Bluse langen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Bist du fertig?« Er hatte keine Eile.
    Und mir wurde klar, dass Eile nicht vonnöten war. Nicht für Alex. Und für mich

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