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Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Hendrikje, Voruebergehend Erschossen

Titel: Hendrikje, Voruebergehend Erschossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Purschke
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denkt Hendrikje, dass es
sehr schön
ist, wenn der doofe Bruno mich besucht, weil sie natürlich nicht weiß, dass Bruno so doof nun auch wieder nicht ist. Aber für mich muss es natürlich reichen, wenn der doofe Bruno mich besucht. Besser, man hält seine Klappe und behält für sich, was privat ist. Ich muss doch nicht die Pfannkuchen meines Herzens wie Frisbeescheiben unters Volk werfen. Die Palmenberg muss echt nicht alles wissen.
    »Ja, er kommt auch wieder, in drei Wochen.«
    »Hmhmm …«
    »Na ja, einer muss ja die fertigen Bilder abholen, die können ja nicht ewig hier in der Buchbinderei rumstehen.«
    Die Palmenberg hält ihren schönen Kopf schräg und fragt mit aller gebotenen Sachlichkeit: »Wie finden Sie das, dass Bruno Sie wieder besuchen wird? Wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken?«
    Fürchterlich
, denkt Hendrikje, denn drei Wochen sind eine verdammt lange Zeit, besonders wenn man im Gefängnis sitzt und allen weltlichen Ablenkungen entsagen muss, und:
Er war vor acht Tagen erst hier, aber er fehlt mir jetzt schon.
    »Prima, ist doch nett von ihm«, sagt sie. »Soll er doch machen, wenn’s ihm Spaß macht.«
    »Aha«, sagt die Palmenberg streng, klappt ihren Schreibblock zu und sieht Hendrikje mit leerem Blick an.
    Und Hendrikje geht zurück in die Buchbinderei und malt die Palmenberg als Sofapuppe, als ganz heile, schöne Puppe aus Porzellan, nackt, mit einem Rumpf aus rosafarbenem Leinen und daran baumelnd die nackten elfenbeinfarbenen Porzellanbeine und -arme und die seidig glänzenden Kastanienhaare und daneben einen abgewetzten Teddybären mit abgerissenen Ohren und einem rausgerissenen Auge.
Und sie malt Omis Leiche, wie sie im Sessel saß, aus dem Gedächtnis, denn ihre Leichenskizzen sind ja auch verbrannt, und sie malt aus dem Gedächtnis Rothweins Antlitz aus stummem Ekel und die Schadenfreude des massigen Richters. Und Bruno kommt alle vier Wochen und bringt neue Farben nach Santa Fu und holt die fertigen Bilder ab und stellt sie bei sich zu Hause vor seinen Bücherregalen ab. Und Hendrikje bindet Vorlesungsverzeichnisse und Drogeriekataloge und malt Dieters Arm fertig und rekonstruiert nach einem Foto ihre Eisenbahnbrücken. Und porträtiert Maria, die räuberische Erpresserin, die so unschuldig wie ein debiles Kind auf dem fertigen Bild aussieht, und sie bannt die Trickdiebin Claudia in Öl, ganz das Abbild einer energischen Intellektuellen mit den stechenden Augen und dem weißen Knoten im Nacken.
    Und so ist alles genau so, wie Hendrikje es sich damals gewünscht hat, als Sophie ihr vorschlug, sie solle sich mal eine gute Fee vorstellen, die ihr drei Wünsche erfüllt: Sie lebt an einem Ort, an dem die Miete bezahlt ist, an dem
ihr
mal jemand das Essen serviert, an dem sie genug Zeit hat, ihre Bilder zu malen und wo ein Freund auf sie wartet.
     
    Und so vergeht ein Monat nach dem anderen nach dem nächsten. Es wird Winter und wieder Frühling und folgerichtig Sommer, und die Palmenberg schreibt ein Gutachten und befürwortet die Aussetzung des letzten Drittels der Strafe zur Bewährung, und dem Antrag wird stattgegeben.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragt die Palmenberg.
    »Mulmig«, lächelt Hendrikje, »… raus in’s feindliche Leben …«
    »Freuen Sie sich darauf?«
    »Ja.«
»Was werden Sie tun?«
    »Ich muss meine Schulden abbezahlen, das sind schlappe 110 000 Euro, also ich denke, das wird mich erst mal ausfüllen …«
    »Tun Sie auch was für sich?«
    »Ich werde malen. Es wird alles so sein wie früher. Ich werde malen und pleite sein«, grinst Hendrikje. »Nur dass ich wahrscheinlich keinen mehr so schnell umbringe …«
    »Wo werden Sie hingehen?«
    »Die haben mir in der Verwaltung ’ne Adresse gegeben von so ’nem Erstaufnahmeheim, wo ich erst mal wohnen kann, und dann such ich mir ja auch gleich ’nen Job …«
    »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Hendrikje.«
    »Danke schön.«
    »Und Aufmerksamkeit. Schauen Sie einfach ein bisschen besser hin, wem Sie sich und Ihre Bilder anvertrauen.«
    »Klar. Ich bin doch nicht blind.«
    »Als Malerin …«
     
    Die ist ein echter
last-word-freak
, die Palmenberg, wenn ich, denkt Hendrikje, jetzt noch was sage, dann sagt die Palmenberg wieder was und immer so weiter bis heute Nacht um zwölf. Also steht Hendrikje beherzt auf und sagt: »Auf Wiedersehen.«
    »Besser nicht!«, sagt die Palmenberg und steht auch auf, um Hendrikje die Hand zu geben, und Hendrikje schüttelt die Hand und hält den Schnabel, damit das ein Ende hat

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