Herbst
Posaunenbläsern,
und fremde Vögel gierten nach den Ãsern,
und statt des Taus war Blut an allen Gräsern. â
Jetzt starrten beide Schächer hier so gläsern
mich an; es glänzte ihrer Stirnen Wachs. â
Doch Christi Auge, klufttief, todesdunkel,
erlohte in so täuschendem Gefunkel,
daà alles Blut mir heià zum Herzen schoÃ:
Der gelbe Wachsgott öffnete und schloÃ
das Lid, das, bläulich dünn, den Blick verhängte;
der enge, wunde Brustkorb hob und senkte
sich leise, leise, und die schwammgetränkte,
todblasse Lippe schien ein Wort zu fassen,
das sehnend sich durch starre Zähne drängte:
»Mein Gott, mein Gott â was hast du mich verlassen?«
Und wie ich zu entsetzt, daà ich des Sinns
des dunkeltiefen Dulderworts verstände,
nur steh und steh und nicht das Auge wende, â
da lösen leise seine weiÃen Hände
sich von dem Kreuze, und er stöhnt: »Ich bins.«
Lang lausch ich nach, und es verklingt sein Spruch, â
ich schau die Wände rings von grellem Tuch
bedeckt und fühle diesen Jahrmarktstrug
mit seinem Lampenöl- und Wachsgeruch.
Da haucht er wieder her: Das ist mein Fluch.
Seit mich, von ihrem eitlen Glaubensprahlen
betört, die Jünger aus dem Grabe stahlen,
giebts keine Grube mehr, die mich behält.
Solang aus Bächen Sterne widerstrahlen,
solang die Sonne zu erlösten Talen
den Frühling ruft mit seinen Bacchanalen,
so lange muà ich weiter durch die Welt.
Von Kreuz zu Kreuze muà ich BuÃe zahlen:
wo sie ein Querholz in (den) Boden pfahlen,
dort muà ich hin auf blutigen Sandalen
und bin der Sklave meiner alten Qualen,
mir wachsen Nägel aus den Wundenmalen,
und die Minuten pressen mich ans Kreuz.
So leb ich, ewig sterbend, meines Heuts
maÃlose Reue. Krank und lang entkräftet,
da in der Kirche Kälte festgeheftet,
dort in dem Prunk profaner Jahrmarktsbuden;
ohnmächtig heut und doch gebetumschmachtet,
ohnmächtig morgen und dabei verachtet,
ohnmächtig ewig in der Sonnenhelle
des Kreuzwegs wie im Frieren der Kapelle.
So treib ich wie ein welkes Blatt umher.
Kennst du die Sage von dem Ewigen Juden?
Ich selbst bin jener alte Ahasver,
der täglich stirbt um täglich neu zu leben;
mein Sehnen ist ein nächtig-weites Meer,
ich kann ihm Marken nicht noch Morgen geben.
Das ist die Rache derer, die verdarben
an meinem Wort. Die opfernd für mich starben,
sie drängen hinter mir in weiten Reihn.
Horch! Ihre Schritte! â Horch! Ihr kreischend Schrein â¦â.
Doch eine groÃe Rache nenn ich mein:
Ich weiÃ, bei jedem neuen Herbste warben
die Menschen um den Saft, den feuerfarben
die roten Reben ihrer Freude leihn.
Mein Blut flieÃt ewig aus den Nagelnarben,
und alle glauben es: mein Blut ist Wein,
und trinken Gift und Glut in sich hinein â¦
Mich hielt das fürchterliche Prophezein
in bangem Bann. Aus hilfloser Hypnose
rià mich die Menge, die vorüberschwamm.
Ein Schwarm trat ein und fand sich mit Getose
bei jener ersten Gruppe just zusamm,
und vor mir hing der gelbe regungslose
Gekreuzigte in wächsner Jahrmarktspose
an seinem Stamm.
Werke III , 143-148
In herbstlichen Alleen
Der junge Mann:
âFühlst Du, meine klare, sanftbeklagte
âschwarze Schwester, daà die Gärten gilben?
âUnd wir sagen uns dieselben Silben,
âdie, um welche uns der Frühling fragte.
âLeiser aber. Wie zwei Totgesagte,
âwelche einsam aus dem Tag der Andern
âdurch den Abend alter Parke wandern,
âschlank und unwahrscheinlich von Gestalt.
â Pause
âUnd man möchte immer weiter gehn,
âunter welken Welten, als ein leiser
âLiebling dieser alternden Alleen.
âLaà uns lange in die Sonne sehn.
âSie will sinken. â Einmal war ich Kaiser â¦
âAber alles Schicksal ist geschehn,
âwelches groà und farbig sich entfaltet;
âalles ist zur Stille um-gestaltet.
âWarum rufst Du mich und weiÃt nicht, wen ?
âIch bin Einer, welcher nicht mehr heiÃt ,
âbin nicht der, von dem Du vieles weiÃt,
âbin ein Fremder und ein Feind vielleicht â¦
Das Mädchen:
â hülflos
âMeine Stimme hat Dich nie erreicht!
âSo oft wir uns fanden
âzu einsamer Feier,
âweiÃt Du: wir banden
âwie leuchtende Schleier
âunsere langen Blicke zusammen,
âund wir glitten an ihnen tief
âhin, wo bei den wachsamen
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