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Herbst

Herbst

Titel: Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Posaunenbläsern,
und fremde Vögel gierten nach den Äsern,
und statt des Taus war Blut an allen Gräsern. –
    Jetzt starrten beide Schächer hier so gläsern
mich an; es glänzte ihrer Stirnen Wachs. –
Doch Christi Auge, klufttief, todesdunkel,
erlohte in so täuschendem Gefunkel,
daß alles Blut mir heiß zum Herzen schoß:
Der gelbe Wachsgott öffnete und schloß
das Lid, das, bläulich dünn, den Blick verhängte;
der enge, wunde Brustkorb hob und senkte
sich leise, leise, und die schwammgetränkte,

todblasse Lippe schien ein Wort zu fassen,
das sehnend sich durch starre Zähne drängte:
»Mein Gott, mein Gott – was hast du mich verlassen?«
Und wie ich zu entsetzt, daß ich des Sinns
des dunkeltiefen Dulderworts verstände,
nur steh und steh und nicht das Auge wende, –
da lösen leise seine weißen Hände
sich von dem Kreuze, und er stöhnt: »Ich bins.«
Lang lausch ich nach, und es verklingt sein Spruch, –
ich schau die Wände rings von grellem Tuch
bedeckt und fühle diesen Jahrmarktstrug
mit seinem Lampenöl- und Wachsgeruch.
Da haucht er wieder her: Das ist mein Fluch.
Seit mich, von ihrem eitlen Glaubensprahlen
betört, die Jünger aus dem Grabe stahlen,
giebts keine Grube mehr, die mich behält.
Solang aus Bächen Sterne widerstrahlen,
solang die Sonne zu erlösten Talen
den Frühling ruft mit seinen Bacchanalen,
so lange muß ich weiter durch die Welt.
Von Kreuz zu Kreuze muß ich Buße zahlen:
wo sie ein Querholz in (den) Boden pfahlen,
dort muß ich hin auf blutigen Sandalen
und bin der Sklave meiner alten Qualen,
mir wachsen Nägel aus den Wundenmalen,
und die Minuten pressen mich ans Kreuz.
    So leb ich, ewig sterbend, meines Heuts
maßlose Reue. Krank und lang entkräftet,
da in der Kirche Kälte festgeheftet,
dort in dem Prunk profaner Jahrmarktsbuden;
ohnmächtig heut und doch gebetumschmachtet,
ohnmächtig morgen und dabei verachtet,

ohnmächtig ewig in der Sonnenhelle
des Kreuzwegs wie im Frieren der Kapelle.
So treib ich wie ein welkes Blatt umher.
Kennst du die Sage von dem Ewigen Juden?
Ich selbst bin jener alte Ahasver,
der täglich stirbt um täglich neu zu leben;
mein Sehnen ist ein nächtig-weites Meer,
ich kann ihm Marken nicht noch Morgen geben.
Das ist die Rache derer, die verdarben
an meinem Wort. Die opfernd für mich starben,
sie drängen hinter mir in weiten Reihn.
Horch! Ihre Schritte! – Horch! Ihr kreischend Schrein … .
    Doch eine große Rache nenn ich mein:
Ich weiß, bei jedem neuen Herbste warben
die Menschen um den Saft, den feuerfarben
die roten Reben ihrer Freude leihn.
Mein Blut fließt ewig aus den Nagelnarben,
und alle glauben es: mein Blut ist Wein,
und trinken Gift und Glut in sich hinein …
    Mich hielt das fürchterliche Prophezein
in bangem Bann. Aus hilfloser Hypnose
riß mich die Menge, die vorüberschwamm.
Ein Schwarm trat ein und fand sich mit Getose
bei jener ersten Gruppe just zusamm,
und vor mir hing der gelbe regungslose
Gekreuzigte in wächsner Jahrmarktspose
an seinem Stamm.
    Werke III , 143-148
    In herbstlichen Alleen
    Der junge Mann:
 Fühlst Du, meine klare, sanftbeklagte
 schwarze Schwester, daß die Gärten gilben?
 Und wir sagen uns dieselben Silben,
 die, um welche uns der Frühling fragte.
 Leiser aber. Wie zwei Totgesagte,
 welche einsam aus dem Tag der Andern
 durch den Abend alter Parke wandern,
 schlank und unwahrscheinlich von Gestalt.
  Pause
 Und man möchte immer weiter gehn,
 unter welken Welten, als ein leiser
 Liebling dieser alternden Alleen.
 Laß uns lange in die Sonne sehn.
 Sie will sinken. – Einmal war ich Kaiser …
 Aber alles Schicksal ist geschehn,
 welches groß und farbig sich entfaltet;
 alles ist zur Stille um-gestaltet.
 Warum rufst Du mich und weißt nicht, wen ?
 Ich bin Einer, welcher nicht mehr heißt ,
 bin nicht der, von dem Du vieles weißt,
 bin ein Fremder und ein Feind vielleicht …
Das Mädchen:
  hülflos
 Meine Stimme hat Dich nie erreicht!
 So oft wir uns fanden
 zu einsamer Feier,
 weißt Du: wir banden
 wie leuchtende Schleier
 unsere langen Blicke zusammen,
 und wir glitten an ihnen tief

 hin, wo bei den wachsamen

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