Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herbst

Herbst

Titel: Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
Vom Netzwerk:
Feldern und mit den langen Wegen in den Winter hinein.
    Andreas-Salomé (16. 8. 1904), 180
    Â 
    Â 
    Nun in Freundeshaus in Godesberg; im Park ist es kühl und herbstlich, und bald kommt die Nothwendigkeit zu neuem Entschluß – –.
    Vollmoeller (20. 8. 1906), 11
    Â 
    Â 
    Hier ist das trostloseste Wetter, der Herbst vollzieht sich mit einer Plötzlichkeit, die einen in allen Entschlüssen überholt, sieht man hinaus, so denkt man, man müßte schon dort sein, wo es um einen Winter werden dürfte. Und ich stehe noch immer, wo Sie mich gefunden haben, zwischen allen Für und Wider der nächsten Zukunft.
    Vollmoeller (5. 9. 1915), 121
    Â 
    Â 
    Dienstag abends kamen wir mit der Post (aus Hamburg: Mozart ›Zauberflöte‹, Kunsthalle) wieder in Worpswede an. Schöne stille Sternennacht, festlich und gut zur Heimkehr. Da entschloß ich mich, in Worpswede zu bleiben. Jetzt schon fühle ich wie mit jedem Tage die Einsamkeit wächst, wie dieses Land, verlassen von Farben und Schatten, immer größer wird, immer breiter und immer mehr Hintergrund für bewegte Bäume im Sturm. Ich will in diesem Sturm bleiben und alle Schauer fühlen dieses großen Ergriffenseins. Ich will Herbst haben. Ich will mich mit Winter bedecken und will mit keiner Farbe mich verraten. Ich will einschneien um eines kommenden Frühlings willen, damit, was in mir keimt, nicht zu früh aus den Furchen steige.
    Tagebücher (27. 9. 1900), 271f.
    Â 
    Â 
    Heute war die Probe von Gerhart Hauptmanns ›Michael Kramer‹. Ich saß mit Lou ganz allein in dem dunklen Zuschauerraum des Deutschen Theaters und wartete. Aufgewühlt, aufgefurcht im Innersten, war ich wie ein offenes Feld, und als die große Gebärde des Säemanns über mich hinwies, da fühlte ich schmerzhaft den Fall des Samenkorns an meinem bloßgelegten Herzen. Ein Tag der Empfängnis war es, schmerzlich und feierlich, der erste von sehr zukünftigen Tagen, die ohne diesen wehen und schönen ersten nicht kommen könnten.
    Tagebücher (19. 12. 1900), 351
    Â 
    Â 
    Draußen tanzen gelbe Blätter. Der Wind heult in meinem Ofen und pfeift den Takt dazu. Ein lustig Lied! Und ich sitze beim Schreibtisch mit heißem Kopf und kalten Füßen. Von Zeit zu Zeit werfe ich einen flüchtigen Blick hinaus in den bunten Blätterkarneval. Mich friert. Bei mir ist Aschermittwochstimmung.
    Ja, Aschermittwoch nach den hellen, sonnigen Sommertagen, die, eine ununterbrochene Reihe fröhlicher Feste, an mir vorübergezogen sind. Der Sturm kam, ein eifriger Bußprediger, und riß den bunten Schmuck von den Wänden des Ballsaales ›Natur‹ und zog den Wolkenvorhang vor die Sonnenlampe. Und die Blüten alle legen die farbigen Maskengewänder ab; nur hier und da noch hat eine Georgine den roten Turban auf. Aber die Festfreude ist nun einmal fort. Der Wind haßt dich und ballt eine Staubwolke um dich, so daß es dir über die Stirn rieselt – wie Asche.
    Werke V (Böhmische Schlendertage), 293
    Herbst-Abend
    Wind aus dem Mond,
plötzlich ergriffene Bäume
und ein tastend fallendes Blatt.
    Durch die Zwischenräume
der schwachen Laternen
drängt die schwarze Landschaft der Fernen
in die unentschlossene Stadt.
    Werke II , 354f.
    Â 
    Â 
    Das Wegemachen ist jetzt weniger schwer als vorige Woche. Was so ein kleiner Mond alles vermag. Da sind die Tage, wo alles um einen ist, licht, leicht, kaum angedeutet in der hellen Luft und doch deutlich; das Nächste schon hat die Töne der Ferne, ist weggenommen und nur gezeigt , nicht wie sonst hingestellt, und was die Beziehung zur Weite hat: der Fluß, die Brücken, die langen Straßen und die verschwenderischen Plätze, das hat diese Weite zu sich genommen, hält sie an sich, ist auf ihr gemalt, wie auf Seide. Du fühlst, was dann ein lichtgrüner Wagen sein kann auf dem Pont Neuf oder irgendein Rot, das sich nicht halten kann, oder ein Plakat einfach an der Feuermauer einer perlgrauen Häusergruppe. Alles ist vereinfacht, auf einige richtige helle Plans gebracht, wie das Gesicht in einem Manetschen Bildnis. Und nichts ist gering und überflüssig. Die Bouquinisten am Kai tun ihre Kästen auf, und das frische oder welke Gelb der Bücher, das violette Braun der Brände, das Grün einer Mappe: alles stimmt, gilt, nimmt teil und tönt in der Einheit der hellen

Weitere Kostenlose Bücher