Herbstbringer (German Edition)
Aarons zwiespältiger Beziehung zum Highgate Cemetery , und es tat erstaunlich gut, es diesem selbstgefälligen Störenfried unter die Nase zu reiben. Er hasste es, von Aaron abhängig zu sein. Die Entlohnung des Jägers war dabei noch seine geringste Sorge. Vor ihm und allen zuzugeben, auf Aarons Hilfe angewiesen zu sein, schmeckte ihm nicht. »Wann war das?«
»Gestern Abend, gegen zehn.«
Dann war die Fährte frisch genug, dass auch weniger geschulte Vampire sie aufnehmen konnten.
»Wer weiß noch davon?«
»Jeder, der sie gesehen hat, was denkst du denn? Die Göre hat nicht besonders viel Wert darauf gelegt, unauffällig zu sein. Wurde fast von einem Bus überfahren. Das hätte wohl ganz schön Aufsehen erregt.« Er meckerte ein gänzlich humorfreies Lachen.
»War sie allein?«
»Ja.« Aaron zögerte. »Kann natürlich sein, dass sie sich mit jemandem getroffen hat.«
»Mit dem Geist ihrer verfluchten Mutter, oder was? Oder hatte sie ein Stelldichein mit Karl Marx?« Diesmal war Josua für die verbale Entgleisung verantwortlich. Zu gern hätte Michael jetzt gleich ein Exempel an ihm statuiert, um derartige Frechheiten endgültig zu unterbinden. So angebracht sie auch waren – es stand ihm nicht zu, diese Dreistigkeit an den Tag zu legen. Leider konnte er es sich nicht erlauben, seine sowieso schon überschaubare Familie noch weiter zu dezimieren. Er brauchte jetzt jeden einzelnen Schwächling von ihnen.
Aaron ignorierte auch diesen Affront und lächelte sein wölfisches Lächeln, als wären er und Michael allein im Raum. »Du solltest dankbar sein. Ich hätte genauso gut zu einem der anderen gehen können.«
»Ich hatte mir schon gedacht, dass du seit unserem letzten Treffen noch tiefer gesunken bist. Dank hast du von mir nicht zu erwarten – außer in materieller Hinsicht, versteht sich. Es macht sich doch immer wieder bezahlt, von korrupten Halsabschneidern umgeben zu sein. Und jetzt beenden wir diese Farce. Isaak, Josua, ihr begleitet Aaron. Ich erwarte eure unverzügliche Rückkehr, sobald ihr die Spur des Herbstbringers aufgenommen habt. Wagt nicht, mir zu widersprechen«, kommentierte er ihre schockierten Gesichter grollend. »Ich weiß, dass es längst Tag ist. Das ist nicht mein Problem. Findet eine Lösung und kommt nicht wieder, ehe ihr die Fährte aufgenommen habt. Die anderen verziehen sich unverzüglich auf ihre Posten!«, befahl er. Dann glitt sein Blick über die starren Gesichter von Hesekiel und Jeremias. »Oder eben dorthin, wo ihr niemandem im Weg seid.«
Familie. Die nächste würde er sich besser aussuchen. Aber immerhin hatte es endlich begonnen. Er beschloss, sich später darüber zu freuen, und stürmte wortlos aus der Tür.
Aaron stellte sich ihm in den Weg. »Da wäre noch was.«
Michael durchbohrte ihn mit einem finsteren Blick, der allerdings ohne Wirkung blieb. Der Jäger schien sich seiner Sache sehr sicher. »Die Rebellin hat einen kleinen Freund in Woods End. Ein Junge, der sich auf den Weg nach London gemacht hat, um sie zu suchen.«
Michael sagte nichts.
»Ich habe ihn natürlich längst aufgespürt und könnte ihn dir, sagen wir, so gut wie lebendig überlassen.«
»Was willst du dafür?«, fragte Michael kalt. Er hoffte, seine Maske des Gleichgültigkeit aufrechterhalten zu können. Darunter brannte er darauf, den Jungen in seine Gewalt zu bekommen.
»Oh, ich bin sicher, dass wir uns einig werden. Ich will gar nichts dafür – nur dein Versprechen, dass du mir Nosophoros überlässt, wenn diese Jagd zu Ende ist. Also was ist, altes Haus: Sind wir im Geschäft?«
17
The World’s End prangte in großen, goldenen Lettern über der Eingangstür. Etwas melodramatisch vielleicht, und dennoch waberte hier etwas durch die Luft, das Emily das Gefühl gab, es mit einem alles andere als zufällig gewählten Namen zu tun zu haben.
»Scheint geschlossen zu sein.« Sie blickte Elias fragend an.
Er lächelte. »Scheint so, ja.«
Dann klopfte er dreimal gegen die braune Holztür. Kurz darauf ertönten hastige Schritte, gefolgt von einem Klicken. »Das ist Camden«, raunte er ihr verschwörerisch zu, als er die Klinke runterdrückte. »Hier ist nichts, wie es scheint. Vor allem nicht am Ende der Welt.«
Nach dieser Ankündigung war Emily beinahe enttäuscht, als sie den Laden betrat. Bei all diesem geheimnisvollen Vorgeplänkel hätte sie zumindest eine zu gleichen Teilen verruchte wie verrauchte Kaschemme erwartet, in der finstere Typen in finsteren Ecken hockten,
Weitere Kostenlose Bücher