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Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Herbsttagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Herbsttagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hohlfeld
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Begleiterin
gewesen war. Was hatte ich erwartet? Dass Basti, während ich neu verliebt war, meinetwegen
ins Kloster ging oder gar darauf wartete, dass ich es mir anders überlegte? Natürlich
nicht. Also beschloss ich, unter Aufwendung all meines Gutmenschentums, ihm sein
Glück zu gönnen.
    Daniel hat
einen riesigen Tannenbaum in die Wohnung geschleppt, den Vicki und ich mit Kerzen,
goldenen Engeln und kindskopfgroßen Kugeln herausgeputzt haben. Er sieht toll aus,
und es hat sich echt gelohnt, dass ich allerhand akrobatische Kunststückchen mit
Tischen und Stühlen vollbracht habe, um die oberen Äste zu schmücken.
    Am 24.12.
haben Vicki, Daniel und ich zu einer Weihnachtsparty gebeten. Vicki plant fieberhaft
das Menü – immerhin für 20 Personen. Lila und Rob werden kommen, Margret natürlich,
Vickis Literaturagentin, zwei Freundinnen aus ihrer Studienzeit, Vickis Eltern und
natürlich auch die Schwiegereltern, mehrere Freunde von Daniel und (»Rosa, du benimmst
dich bitte, ja?«) Basti und Juli.
    Natürlich
werde ich mich benehmen, ihm lächelnd frohe Weihnachten wünschen, Juli ihr Pferdebuch
schenken, vielleicht ein bisschen mit ihr spielen. Das werde ich hinkriegen. Dennoch
hoffe ich mit stiller Inbrunst, er möge nicht auf die Idee kommen, seine neue Freundin
mit auf unsere Weihnachtsparty zu bringen. Denn dann könnte ich für nichts garantieren.
     
    Ich genieße es, wieder in meinem
Zimmer zu wohnen.
    Manchmal
bin ich traurig. Ich weiß nicht mal, warum, denn eigentlich bin ich froh über meine
Entscheidung.
    Niemals
hätte ich es für möglich gehalten, dass ich, nach all den leidenschaftlichen Ausbrüchen
der letzten Monate, eine halbwegs gefasste Trennung von Leo schaffen würde. Ich
kann es kaum glauben, dass ich so ruhig bin. Zuerst hatte ich zwei Männer, nun habe
ich keinen. Den einen habe ich hintergangen, den anderen gehen lassen. Das tut weh.
Aber ich weiß, dass meine Entscheidung, in Berlin zu bleiben, die einzig richtige
war.
     
    *
     
    »Rosa, kommst du?« Vicki steht in
der Tür, in eine dicke Daunenjacke gehüllt und mit Pudelmütze auf dem Kopf.
    »Bin sofort
da!«
    »Zieh dich
warm an«, sagt sie. »Wir bleiben den ganzen Tag draußen in Kletzin.«
    »Ach so?«
    »Wir sollen
beim Bürgermeister Hallo sagen und in der Kirchgemeinde ist Adventskaffeetrinken.
Da sind wir eingeladen.«
    »Ganz die
Gutsherrin«, witzelt Daniel, der dazukommt und ihr sanft von hinten die Hände um
den Bauch legt. »Warte nur, Rosa, wenn sie im Sommer erst mit hochgekrempelten Ärmeln
das Getreide einfährt.«
    »Ich glaube,
in diesem Sommer fahren wir eine ganz andere Ernte ein, mein Schatz«, sagt Vicki
lachend und mustert skeptisch ihren kleinen Kugelbauch. »Und ich hoffe, du krempelst
dann auch die Ärmel hoch.«
    Ich freue
mich auf Kletzin. Rasch ziehe ich mir warme Sachen an und verstaue Augustas Tagebuch
in meiner Handtasche.
    Als wir
eine Stunde später in die Pappelallee biegen, sieht alles ganz anders aus als beim
letzten Mal. Zwar flattern noch immer Absperrbänder um das Haus herum. Aber die
Bagger sind weg. Keine aufgebrachte Menge steht vor dem Haus und blockiert die Maschinen.
Es ist ruhig, friedlich und menschenleer. Klirrender Frost liegt über dem Land.
    »Meinst
du, das Haus hält noch einen Winter durch?«, fragt Vicki ängstlich, als wir aus
Daniels Chevi steigen.
    »Am Montag
wird alles so gut es geht von außen abgedichtet. Was an Feuchtigkeit drin ist, kriegen
wir nicht weg. Aber die Bausubstanz ist sicher und vollkommen in Ordnung. Sobald
der Winter vorbei ist, legen wir los. In einem Jahr feiern wir hier draußen unser
Weihnachtsfest. Versprochen!«
    Vicki strahlt
bei Daniels Worten. »Rosa, welchen Flügel vom Haus willst du haben, den rechten
oder den linken?«, fragt sie.
    »Ich? Einen
ganzen Flügel?
    »Nun sag
schon!«, drängelt sie und trampelt unruhig mit den Füßen. »Meinst du, ich ziehe
ohne dich hier raus? Links ist mehr heil geblieben. Da können wir für dich das schöne
Intarsienparkett restaurieren, und es gibt noch ein paar von Augustas Möbeln. Das
müsste dir doch gefallen.«
    Man sollte
nicht glauben, dass diese vor Unruhe zappelnde Person vor Kurzem noch überhaupt
keinen Bock auf ihr Erbe hatte.
    Ich bin
natürlich total happy über diese Wendung und tief im Innern weiß ich, wenn Augusta
uns sehen könnte, dann wäre sie es auch. Winzige Tränen der Rührung stehlen sich
aus meinen Augen, während mir das klar wird.
    »Ich gehe
ein bisschen spazieren«, sage

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