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Hermann Hesse: Das Leben des Glasperlenspielers (German Edition)

Hermann Hesse: Das Leben des Glasperlenspielers (German Edition)

Titel: Hermann Hesse: Das Leben des Glasperlenspielers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heimo Schwilk
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»Hellas« zurück, mit denen er bis vor wenigen Stunden eine kleine, verschworene Gemeinschaft gebildet hat. Er hat den Raum mit dem schönen Blick auf Kreuzgang und Brunnenhaus lieb gewonnen; dort steht sein Arbeitspult, in dessen Holz frühere Schüler ihre Namen eingeritzt haben. Auf dem Pult in wildem Durcheinander Wörterbücher, Arbeitshefte, Zeichnungen, Zirkel, Tintenfässer und Stahlfedern. Im Schreibtischkasten hat er seine kleine Privatbibliothek mit Werken von Schiller, Eichendorff, Klopstock, Freiligrath, Mörike, Körner, Lenau, Uhland und den Werther verwahrt, dazwischen aber auch Gläser mit Marmelade und Honig und einen Ring geräucherter Wurst. Der ihm angenehmste Stubenkamerad ist Wilhelm Lang aus Nürtingen. »Arm in Arm mit Dir, so fordr’ ich mein Jahrhundert in die Schranken!« – den Schwur des Don Carlos hatten sie sich oft zugerufen, erhitzt vom Eilfingerwein, den man spät abends heimlich im Dorment trinkt, um sich in Stimmung zu bringen für die Debatten über Freiheit, Freundschaft und Demokratie. »All voll, keiner leer, Wein her!« skandieren sie die »Maulbronner Fuge« Joseph Victor von Scheffels, der das bekannte Trinklied bei einem Besuch des Klosters verfasst hatte. Einmal schlichen die »Hellenen« über die finstere »Höllentreppe« hinab in den Kreuzgang, um eine Papst-Prozession mit weißen Umhängen, ausgestopften Bäuchen und Papier-Mitra aufzuführen, ein Schabernack, der in einem protestantischen Internat nicht gerade als Sakrileg aufgefasst wird, aber doch als geschmackloser Unfug. Auch hier war Hermann der Rädelsführer, schnitt die schiefsten Grimassen und marschierte mit der Mitra vorneweg. Nur einmal hatte er es zu weit getrieben, als er sich nach einem heftigen Disput über das Phänomen des Geisterwesens von einem Mitschüler hypnotisieren ließ. Sein Zustand – starr im Bett liegend mit weit geöffneten Augen – hatte alle Beteiligten tief erschreckt, sodass man sich den Lehrern offenbarte, die den Spuk verboten.
    Im Kreis seiner Kameraden fühlt sich Hermann geborgen, und wenn er den Drang verspürt, allein zu sein, spielt er auf seiner Geige. In der Freizeit malt er mit Hingabe Porträts historischer Persönlichkeiten, karikiert aber auch Mitschüler und Lehrer. Bisweilen zieht er sich in die Klosterbibliothek zurück, in der die Regale mit den schweinsledernen Bänden bis hinauf zum gotischen Gewölbe reichen. Die Aura des stillen Ortes erinnert ihn an des Großvaters Bibliothek. Als Kind durfte er dort spielen, und wenn er allein war, zog er manchmal eines der schweren Bücher aus dem Regal, um stundenlang die Zeichnungen zu betrachten und sich in den Bildern zu verlieren. Auch in der Maulbronner Klosterbibliothek scheint die Zeit stillzustehen, sogar sein Dichterehrgeiz löst sich in solch glücklichen Augenblicken auf, spielerisch kann er sich seiner Neugier überlassen, von Gedanke zu Gedanke, von Buch zu Buch springen. Wie erlösend muss es sein, als Mönch Teil einer Gemeinschaft zu sein, die den persönlichen Ehrgeiz in einem höheren Ganzen aufgehen lässt!
    Nachts jedoch überfällt ihn nicht selten eine merkwürdige Beklommenheit, Zweifel melden sich, ob das Seminar wirklich der richtige Ort für ihn sei, da es ja als Vorschule gilt für das nachfolgende Theologiestudium am Tübinger Stift. Kopfweh und Schwindelanfälle quälen ihn; an solchen Tagen liegt Hermann lange wach und versucht sich in seine Kindheit zurückzuträumen, um die böse Stimmung zu vertreiben. Bilder von den Flussauen seiner Heimatstadt steigen vor seinem inneren Auge auf, er sieht sich beim Angeln am Ufer sitzen oder auf einem Floß die Nagold hinabtreiben. Fast schon im Traum läuft er durch blühende Wiesen, ein Röckchen weht vor ihm her durchs Grün, verschwindet und taucht plötzlich verlockend wieder auf. Hermann wälzt sich im Bett, stöhnt, drückt seinen Körper an die Matratze – das helle Gesicht eines Mädchens erscheint, ihr nackter Körper verstrickt ihn in ein verwirrendes, erregendes, nie gekanntes Spiel, dann verfließen ihre Gesichtszüge wieder, verwandeln sich in das Antlitz der Madonna, die ihm aus einer der Seitenkapellen des Klosters entgegenlächelt. Schließlich reißen ihn seine Dichterphantasien fort, leise spricht er Verse vor sich hin, bis sich aus dem Dämmer des Schlafsaals etwas Leuchtendes nähert: ein mit zarten Vignetten geschmücktes Bändchen, auf dem er seinen Namen erkennt und darunter den Titel »Romantische Lieder«.
    Die

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