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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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mir wurde sofort klar, dass dieser Zauberer uns zu Nyawĩra führen könnte. Es war wie eine Offenbarung.“
    „Von diesem Herrn der Krähen scheint jeder dahergelaufene Kerl besessen zu sein!“, kommentierte Sikiokuu mit leiser Enttäuschung. „Und was ich überhaupt nicht wusste, ist, dass er auch noch als Detektiv arbeitet“, setzte er sarkastisch hinzu.
    „Glauben Sie mir, Mr. Minister, trotz der nur kurzen Begegnung kann ich behaupten, dass er durch und durch ein echter Seher ist. Das Auge seines Spiegels blickt in die Ferne und durchdringt alles“, erlaubte sich Kaniũrũ einen poetischen Ausflug, nahm sich aber sofort wieder zurück, als ihm die ernste Warnung des Zauberers in den Sinn kam. „Es tut mir leid, wegen meiner Krankheit gelogen zu haben. Wenn ich das nicht getan hätte, hätte ich viel mehr herausgefunden. Ich kann mich nicht mehr an alle Einzelheiten erinnern, aber meine Erfahrung mit dem Herrn der Krähen hat mich überzeugt. Mit ihm wären wir auf dem richtigen Weg.“
    Sikiokuu schwieg eine Weile und wog ab, was Kaniũrũ ihm gerade erzählt hatte. Bis jetzt war Kaniũrũ der Einzige, der überhaupt Informationen geliefert hatte, wie der Staat bei der Zerschlagung der Bewegung für die Stimme des Volkes Erfolg haben könnte. Er hatte dazu beigetragen, Nyawĩra zu enttarnen. Er hatte sie mit einem Foto von Nyawĩra versorgt, als junge, unverheiratete Frau und mit einigen aus der Zeit, als sie Kaniũrũs Frau gewesen war. Es waren die einzigen Fotos, die die Polizei von ihr hatte. Er hatte geholfen, Tajirika in die Falle zu locken, und wesentlichen Anteil daran, dass die Fotos von Vinjinia und den tanzenden Frauen aufgenommen wurden. Warum sollte er Kaniũrũs Idee einfach abtun, so verrückt sie auch klang? Und außerdem hatte der Herrscher ihm befohlen, bei der Suche nach Nyawĩra keinen Stein auf dem anderen zu lassen.
    „Du hast mir gesagt, dieser Hexenmeister würde sich nur mit Krankheiten befassen. Wie sollen wir ihn dann in die Polizeiarbeit einbinden?“, fragte Sikiokuu skeptisch, aber auch neugierig.
    „Geld und Macht“, antwortete John Kaniũrũ. „Niemand ist abgeneigt, mit Geld und Macht zu verkehren. Allein Ihr Titel, Mr. Minister, und Ihre tiefen Taschen werden ausreichen, dass sich der Hexenmeister geehrt und erhöht fühlt, uns Nyawĩra ohne Protest auszuliefern. Ich habe Ihnen ja berichtet, sein Spiegel hat mehr Macht als …“
    „In Ordnung“, sagte Sikiokuu entschieden. „Darüber reden wir später. Es gibt jetzt einen Job zu erledigen, und ich wünsche, dass er schnell ausgeführt wird. Ich möchte, dass du auf der Stelle zu diesem Herrn der Krähen gehst. Übermittle ihm meine Grüße und sag ihm in meinem Namen, dass wir jeden Preis akzeptieren, den er verlangt, um Nyawĩra ausfindig zu machen.“
    Kaniũrũ war kurz davor, den Auftrag anzunehmen, erinnerte sich aber ein weiteres Mal an die Warnung des Herrn der Krähen. Wie würde der Zauberer aufnehmen, was Sikiokuu ihm soeben aufgetragen hatte? Wären der Auftrag und seine Rückkehr nicht der endgültige Beweis für den Herrn der Krähen, dass er seinen Schwur gebrochen hatte? Kaniũrũ fühlte sich zudem nicht wohl, über seine Begegnung mit dem Herrn der Krähen gelogen zu haben, indem er behauptet hatte, davongejagt worden zu sein und nie mehr zurückkommen zu dürfen. Was, wenn sich Sikiokuu später daran erinnerte und beginnen würde, Kaniũrũs Ehrlichkeit in anderen Bereichen in Frage zu stellen?
    „Ich glaube, dass es keine gute Idee ist, wenn ich mich dort noch mal blicken lasse. Er hat mir untersagt, je wieder bei ihm aufzutauchen, und ich bin ein schlechter Lügner, Mr. Minister. Ich hasse es zu lügen und würde auch gar nicht wissen, wie ich mich herauswinden soll. Ich denke, es wäre besser, wenn Sie ihn hierher einladen …“
    „Ein Hexenmeister in meinem Büro? Niemals!“, erwiderte Sikiokuu ziemlich aufgebracht.
    „Ich vermute“, fuhr Kaniũrũ fort, „er würde sich von Ihrer Gegenwart so geehrt fühlen, dass er noch nicht einmal einen Lohn verlangen würde.“
    Sikiokuu schwieg und dachte über Kaniũrũs Vorschlag nach. Er fragte sich, ob dieser Kerl womöglich das Gerücht in die Welt setzen würde, er, der Minister, habe einen Hexendoktor in sein Büro, in das Büro des Herrschers, eingeladen. Nein, Kaniũrũ durfte nicht erfahren, wie er als Minister weiter mit dem Herrn der Krähen verfuhr.
    „John. Das war gute Arbeit, und ich werde deine Ergebenheit niemals vergessen. Du

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