Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
Vom Netzwerk:
Karriere weiter in ihm, und jetzt, nachdem Machokali und Sikiokuu neue Wege zur Macht erschlossen hatten, glaubte er, dass sich damit auch ihm eine neue Chance bot, seinen Traum zu verwirklichen, und er zermarterte sich das Hirn, welche körperliche Veränderung ihm den begehrten Posten des Verteidigungsministers eintragen könnte. Er beschloss, sich die Zunge verlängern zu lassen, damit jeder Soldat im Land in seinen Worten den Widerhall der Befehle des Herrschers hören könnte und auch dessen Drohungen an die Adresse seiner Feinde, noch bevor diese die Grenzen Aburĩrias erreichen konnten. Zunächst wollte er es wie Sikiokuu machen und flog nach Paris. Doch gab es dort einige Missverständnisse über die erforderliche Größe, sodass ihm die Zunge wie einem Hund weit aus dem Mund hing und er nicht mehr sprechen konnte. Machokali kam zu Hilfe und ermöglichte ihm den Besuch einer Spezialklinik in Berlin, wo man ihm die Lippen lang zog und vergrößerte, um die Zunge zu verbergen. Aber selbst das gelang nicht vollständig und die Zunge schaute immer noch ein bisschen hervor. Der Herrscher missverstand dieses Zeichen und bedachte ihn mit dem Informationsministerium. Das war nicht schlecht, und Mambo feierte seinen Aufstieg zu einem Kabinettsposten, indem er seine Vornamen änderte und sich jetzt, von der Uhr am englischen Parlamentsgebäude inspiriert, Big Ben nannte. Mit vollem Namen hieß er nun Big Ben Mambo. Er vergaß Machokali seine Hilfe nicht und schlug sich in den politischen Auseinandersetzungen zwischen Markus und Silver oft auf die Seite Machokalis.
    Die Idee eines besonderen Geschenkes der Nation zum Geburtstag stammte von Machokali – der natürlich eindeutige Hinweise von ganz oben erhalten hatte – und mit dem Stolz des Erfinders signalisierte er jetzt den Blaskapellen von Armee, Polizei und Gefängnisverwaltungen sich bereitzuhalten, das Geburtstagsständchen anzustimmen. Der Augenblick war gekommen.
    In der Menge machte sich große Neugier breit, als Machokali, unterstützt von Mitgliedern des Geburtstagskomitees und einigen Polizisten, mit theatralischer Geste ein riesiges Tuch entfaltete und in die Luft hielt. Die Leute schoben einander beiseite und versuchten zu erkennen, was auf dem Tuch zu sehen war. Sie waren verblüfft, als sie darauf die riesige Zeichnung von etwas entdeckten, das so ähnlich wie ein Gebäude aussah. Eine Zeichnung auf einem weißen Tuch als Geburtstagsgeschenk für den Herrscher?
    Machokali kostete die angespannte Neugier und Erwartung der Menge aus und rief sie auf, Ruhe zu bewahren, denn er werde ihnen nicht nur alles beschreiben, was auf dem Tuch zu sehen war, sondern auch dafür sorgen, dass Kopien dieser „artist’s impression“ – wie es die Engländer nennen – im ganzen Land verbreitet würden. Und er würde gern die Gelegenheit nutzen, dem Lehrer zu danken, der sich freiwillig bereit erklärt habe, diesen Entwurf zu gestalten, und bedauere es sehr, dass er den Namen des Lehrers nicht preisgeben dürfe, weil es ihm der Künstler untersagt habe. Das Lehren sei ein ehrenvoller Beruf und diejenigen, die ihn ausübten, seien bescheidene Menschen, die nicht ein Streben nach Ruhm, sondern selbstlose Hingabe antreibe, ein Vorbild für alle Bürger.
    Ganz hinten in der Menge hob ein Mann die Hand, winkte aufgeregt und rief seinen Einspruch nach vorn: „Ist schon in Ordnung, Sie können ruhig meinen Namen nennen.“ Und als die Umstehenden ihn anfuhren, den Mund zu halten, rief er noch: „Ich bin hier – Sie können gern meine Identität offenlegen.“ Er war zu weit weg von der Bühne, um gehört zu werden, aber in der Nähe standen ein paar Polizisten, und einer fragte ihn: „Wie heißt du?“
    „Kaniũrũ, John Kaniũrũ“, antwortete der Mann, „und ich bin der Lehrer, von dem der Redner gerade spricht.“
    „Dreh mal deine Taschen nach außen“, befahl ihm der Polizist. Nachdem er sichergestellt hatte, dass Kaniũrũ keine Waffe trug, fragte er ihn, während er auf seine eigene Pistole zeigte: „Siehst du die hier? Wenn du weiterhin die Feierlichkeiten störst, dann werde ich dich von deiner Nase befreien, so wahr ich Askari Arigaigai Gathere heiße und mein Boss Inspector Wonderful Tumbo.“
    Der Mann mit dem Namen Kaniũrũ setzte sich wieder. Nur wenige hatten den kleinen Tumult bemerkt, denn alle Augen und Ohren waren auf das größere Schauspiel auf der Bühne gerichtet.
    Das ganze Land, sagte der Außenminister gerade, die gesamte aburĩrische

Weitere Kostenlose Bücher