Herr der Schlangeninsel
verkündet — freilich ohne
Xiang-Beutezahn zu beschuldigen, denn es gibt keine Beweise — und auf diese
Weise dafür gesorgt, daß eventuelle Aufkäufer in aller Welt sich vorsehen
werden, sofern sie ehrlich sind. Ehrliche Sammler von Jade-Schnitzereien kaufen
kein Diebesgut. Und den anderen ist somit versagt, mit ihrem Erwerb anzugeben,
ihn rumzuzeigen. Da aber alle Sammler auch Angeber sind, muß Xiang-Beutezahn
den Jade-Tiger behalten — was er jedoch, wie ich schon sagte, sowieso vor hat.
Alle Tageszeitungen — alle großen — haben heute das Foto von unserem Jade-Tiger
gebracht. Das Kunstwerk ist genau beschrieben.“
„Dann werde ich nachher gleich die Nase
in die Zeitung stecken. Bin nämlich heute noch nicht dazu gekommen.“
Chung griff unter die Theke.
Tim glaubte, Apfelsaft wäre nun an der
Reihe.
Aber Chung holte eine gefaltete
Tageszeitung hervor und schob sie Tim zu.
„Auf Seite 14. Auf der Seite
Vermischtes-aus-aller-Welt.“ Tim bedankte sich.
„Werden Sie und Ihre Sippe“, fragte er
dann, „denn gar nichts unternehmen gegen Xiang-Beutezahn?“
Aus Chungs schmalen Augen lief der
Blick durch den Raum. Aber sie waren immer noch allein.
Bei der Affenhitze dieses
Hochsommertages mußte man schon so fanatisch sein wie Tim, um sich in der
altchinesischen Konditions-Schmiede abzuquälen.
Der Rest der Sportbegeisterten lag im
Schwimmbad oder hing auf dem Tennisplatz herum — wenn nicht gar im Liegestuhl
mit einem Walkman in den Ohren und Nebel im Gehirn.
„Dir kann ich vertrauen, Tim. Das weiß
ich.“
Der TKKG-Häuptling nickte.
Chung beugte sich vor. „Ich habe einen
Gewährsmann in Xiang-Beutezahns Gang.“
Tim pfiff mittellaut durch die Zähne.
„Von ihm“, flüsterte Chung, „erwarte
ich Informationen. Dann wird sich entscheiden, was ich mache.“
2. Verhängnisvoller Mißgriff
Immer wenn er Autos stahl — und
Diebstahl jeder Art gehörte zu Nicholas Klaudonias Alltag — trug er einen
schicken Anzug, weißes Hemd und Krawatte.
Außer Dienst — wie Nicholas, kurz Nick
genannt, die übrige Zeit bezeichnete — lief er rum wie ein Penner: in
ausgefransten Jogging-Anzügen, löcherigen Strümpfen und unrasiert.
Diese Aufmachung hätte allerdings nicht
gepaßt zu seiner Tätigkeit als Dieb. Denn Nick, der sich unter Freunden gern
als Meisterdieb aufspielte, klaute nur, was erste Sahne war: wertvollsten
Schmuck, große Geldbeträge, Kunstwerke und Antiquitäten von hohem
Beschaffungswert, sowie Nobel-Autos aus der oberen Preisklasse.
Spezialisiert war er auf Rolls Royce,
Bentley, Ferrari und Porsche. Selbstverständlich nahm er ebenso gern die
Flaggschiffe von Mercedes, BMW und Jaguar oder — aber nur an müden Tagen — die
kleineren Modelle.
Nicholas ,Nick’ Klaudonia war
gebürtiger Grieche. Als Waisenkind aufgewachsen, wußte er nicht genau, ob er 36
oder 37 Jahre alt war. In seinem Reisepaß stand, daß er jetzt 36 sei.
Nick war nur bis zu seinem 14.
Lebensjahr gewachsen, hatte aber 182 cm erreicht und die stattliche Figur eines
Fischers von den griechischen Inseln — eines kräftigen Fischers, der notfalls
einen kleinen Katzenhai einarmig ins Boot zieht, falls sich der Hai nicht
allzusehr wehrt.
Nick hatte schwarze Locken und
blitzende Zähne. Drei fehlten. Aber die Lücken waren weit hinten. Man sah sie
nicht.
Nicks Arbeitsplatz — das waren die
Großstädte Europas. Der Meisterdieb bevorzugte London, Paris, Frankfurt und
Amsterdam. Aber Komplicen hatte er auch in anderen Städten, zumindest Hehler,
bei denen er die Sore — die Beute — verhökern konnte.
Darüber hinaus hatte er eine Braut.
Auch sie war aus Griechenland. Sie hieß Antonia Vasilopoulos und lebte zur Zeit
in der TKKG-Großstadt, weshalb Nick sich besonders an diesem heutigen Tag vor
Sehnsucht fast verzehrte. Denn er hielt sich in Amsterdam auf.
Hollands Hauptstadt mußte abgeerntet
werden. Er war hier, um zu klauen.
Der hiesige Hehler, bei dem Nick vor
allem die gestohlenen Fahrzeuge ablieferte, hieß Rik van Vandandem, war
Holländer und ein übler Schweinehund.
Um ihm die Fahrzeuge zu bringen, mußte
Nick meistens durch ganz Amsterdam fahren. Schon deshalb konnte er sich nicht
in seiner Freizeitkluft sehen lassen.
Was für einen Eindruck hätte das gemacht!
So ein Typ im Rolls Royce. Nein, nur nicht auffallen!
Deshalb rückte er jetzt die Brille mit
den getönten Gläsern zurecht, griff an den Krawattenknoten und näherte sich dem
Luxus-Wagen.
Die weinrote Jaguar-Limousine
Weitere Kostenlose Bücher