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Herr der Schlangeninsel

Herr der Schlangeninsel

Titel: Herr der Schlangeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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stand
ganz hinten auf dem Parkplatz, dicht an der Rückseite eines Hochhauses.
    Die Motorhaube fühlte sich warm an.
    Aber das lag nicht an der
Nachmittagssonne, wie Nick kennerisch feststellte, sondern daran, daß der
Schlitten erst vor kurzem gefahren wurde.
    Nick beugte sich zum Auspuff und schnupperte.
    Aha! Seit schätzungsweise sieben
Minuten stand der Jaguar hier. Wann kam der Besitzer zurück?
    Nick führte Statistik und nahm solche
Arbeitshilfen sehr genau. Aufgrund seiner jahrelangen Erfahrungen parkte ein
Jaguar dieser Preisklasse durchschnittlich 22 1/2 Minuten — an sonnigen Tagen
und auch nur in den Monaten Mai, Juni, September. An trüben Tagen betrug die
Parkzeit 31 Minuten für die gleichen Monate. Juli und August fielen etwas
kürzer aus. Für den Rest des Jahres war Nicks Statistik noch nicht fertig.
Außerdem parkten die Engländer etwas länger als beispielsweise die Italiener.
Und ganz übel war’s mit den Polen. Die parkten überhaupt nicht, weil sie keine
Luxus-Autos besaßen.
    Das Spezialwerkzeug!
    Nick lockerte seine naturbraunen
Finger, was wie Klavierspielen aussah.
    Für einen Jaguar ohne Alarmanlage
brauchte er nie länger als 20 Sekunden.
    Schon gab die Tür nach.
    Er glitt auf den Fahrersitz und machte
sich daran, die Zündung kurzzuschließen.
     
    *
     
    Xiang Chee Shu — von seinen Feinden
auch genannt „Beutezahn der Wanderratte“ — bewohnte die 11. Etage eines
Hochhauses, die ganze.
    Verschwendung?
    Der Verbrecher-Boß konnte sich eine
Wohnung dieser räumlichen Weitläufigkeit — über 400 Quadratmeter — leisten.
Außerdem ein Schlößchen in Frankreich, ein Landhaus vor der Stadt, ein Chalet
in der Schweiz und eine Ferienwohnung, die allerdings ein Strohmann für ihn
gekauft hatte, auf der Insel Sylt.
    Im letzten Jahr hatte Xiang-Beutezahn
nach deutschem Geld acht Millionen verdient. Mit Drogenhandel und anderen
Verbrechen. Er war ein Hundskrüppel, ein widerwärtiger.
    Fett und kahlköpfig saß der 55jährige
jetzt hinter seinem Schreibtisch. Im linken Ohrläppchen hing ein kleiner
Goldohrring. Die Wurstfinger waren mit Ringen bestückt. Unter Xiang-Beutezahns
Schlitzaugen lagen bläuliche Schatten. Das lag an seiner Vorliebe fürs
Opiumrauchen, das bekanntlich die Gesundheit angreift, zu Verblödung und frühem
Tod führt.
    Aber noch war der Chinese hell drauf
auf seiner kahlen Platte und weit entfernt von seinem Grab.
    Jetzt wischte er sich mit den
Wurstfingern Schweiß von der Stirn.
    Die andere Hand griff zum Telefon.
    Foen Zhuo, genannt,Würger’, meldete
sich.
    „Foen“, sagte Xiang-Beutezahn mit
schriller Keifstimme. „Mein Jaguar muß vom Parkplatz runter. Du weißt, was im
Kofferraum liegt. Ich mußte mal eilig aufs Klo und konnte nicht weiterfahren.
Jetzt sitze ich hier fest. Nein, keine Magenverstimmung. Der Mijnheer (Herr) vom Middernacht-Club kommt jeden Moment und will das Heroin-Paket abholen. Mit
dem muß ich verhandeln wegen Preiserhöhung. Also fahr den Jaguar in mein
Landhaus, schließ ihn ein in der Garage. Klar?“
    „Kannst dich darauf verlassen,
ehrenwerter Boß“, erwiderte Foen, der Würger.
    „Den Zweitschlüssel hast du?“
    „Habe ich doch immer, ehrenwerter Boß.“
    „Dann beeil dich! In dieser Stadt wird
zuviel gestohlen. Es ist traurig, und man begreift es nicht. Aber wir werden
nichts daran ändern.“

     
    *
     
    Rik van Vandandem, Hehler und
Gebrauchtwagen-Händler, hatte eine KFZ-Werkstatt in einem der Vororte.
    Im Jahresdurchschnitt wurden dort 180
gestohlene Wagen angekauft, umfrisiert und dann über einen Schmuggler-Ring in
den Nahen Osten verschoben.
    Als Nick mit dem Jaguar auf den Hof
fuhr, stand Vandandem vor dem Tor der Diagnose-Halle.
    Vandandem hatte eine
Marzipan-Schweinchen-Haut und flachsblondes Haar. Meistens kaute er
Sahnebonbons.
    Entsetzt hob er jetzt beide Hände an
den Kopf und trat zu Nick an die Fahrertür.
    „Hallo, Rik!“ grinste der Meisterdieb.
„Hier habe ich...“
    „Hast du den Schlitten geklaut?“
    „Denkst du, gekauft? Hahaha!“
    „Ob du ihn gestohlen hast?“
    „Schrei doch nicht so! Klar, was
sonst?“
    Vandandem verdrehte die Augen, bis Nick
nur noch das Weiße der Augäpfel sah.
    „Heh, Rik! Stimmt was nicht? Der ist
doch fast neu.“ Vandandem richtete seine Pupillen geradeaus.
    „Der Jaguar“, sagte er dumpf, „gehört
Xiang-Beutezahn.“ Nick glotzte zu dem Hehler hinauf. „N...ein.“
    „Doch! Ich kenne den Schlitten genau.
Ich mache die Inspektionen. Du bist

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