Herr des Chaos
Reihe, die Augen verblüfft aufzureißen. »Ich finde Tee wohltuend. Meiner Erfahrung nach fördert er die Gespräche.« Ohne auf eine Antwort zu warten, füllte die Braune Schwester, die so sehr wie ein Vogel wirkte, verschiedenartige Teetassen aus einer blaugestreiften Teekanne, die auf dem niedrigen Nebentischchen stand. Statt des einen Tischbeins hatte man einen Stein untergelegt. Die Aes Sedai hatten wohl mehr Platz, doch ihre Einrichtung war genauso ärmlich. »Delana und ich haben beschlossen, daß unsere Aufzeichnungen auch ein andermal noch niedergeschrieben werden können. Statt dessen werden wir uns unterhalten. Honig? Ich nehme auch lieber keinen. Diese Süße nimmt dem Tee allen Geschmack. Doch junge Frauen bestehen gewöhnlich auf ihrem Honig. Welch wunderbare Dinge habt Ihr doch vollbracht. Ihr und Elayne.« Ein lautes Räuspern ließ sie fragend Delana anblicken. Nach kurzem Zögern bemerkte Janya dann nur: »Ach. Ja.«
Delana hatte einen der Stühle, die sonst am Tisch standen, mitten auf den kahlen Fußboden gestellt, einen Stuhl mit einer Sitzfläche aus Korbgeflecht.
Einen einzigen. Von dem Augenblick an, als Janya eine ›Unterhaltung‹ erwähnt hatte, war Nynaeve klar gewesen, daß dies keineswegs alles sein würde. Delana deutete auf den Stuhl, und Nynaeve setzte sich ganz vor auf die Kante, wobei sie eine Tasse Tee auf einer angeschlagenen Untertasse von Janya entgegennahm und murmelte: »Dankeschön, Aes Sedai.« Sie mußte nicht lange warten.
»Berichtet uns von Rand al'Thor«, sagte Janya. Sie schien mehr sagen zu wollen, doch Delana räusperte sich erneut, woraufhin Janya blinzelte und nur noch schweigend an ihrem Tee nippte. Sie standen jede an einer Seite von Nynaeves Stuhl. Delana sah sie an, seufzte dann und ließ mit Hilfe der Macht die dritte Tasse durch den Raum in ihre eigene Hand schweben. Daraufhin fixierte sie Nynaeve wieder mit einem Blick, der Löcher in ihren Kopf zu bohren schien, während Janya gedankenverloren wirkte und sie möglicherweise überhaupt nicht richtig sah.
»Ich habe Euch bereits alles gesagt, was ich weiß«, seufzte Nynaeve. »Jedenfalls habe ich es den Aes Sedai berichtet.« Und das entsprach der Wahrheit. Nichts von dem, was sie wußte, konnte ihm schaden, jedenfalls nicht in höherem Maße als das bloße Wissen darum, was er war, und es könnte hilfreich sein, wenn sie die Schwestern dazu brachte, ihn als Mann zu betrachten. Nicht als Mann, der mit der Macht umgehen konnte, sondern nur einfach als Mann. Nicht gerade leicht, wenn es um den Wiedergeborenen Drachen ging. »Ich weiß nicht mehr als das.«
»Schmollt gefälligst nicht«, fauchte Delana. »Und weicht mir nicht aus.«
Nynaeve stellte ihre Tasse wieder auf die Untertasse und wischte sich das Handgelenk am Rock ab.
»Kind«, sagte Janya voller Mitgefühl, »ich weiß, Ihr glaubt, uns alles gesagt zu haben, was Ihr wißt, aber Delana... Ich kann nicht glauben, daß Ihr etwas absichtlich zurückhalten würdet...«
»Und warum nicht?« fuhr Delana sie an. »Im gleichen Dorf geboren. Mit ihm aufgewachsen. Ihre Loyalität gilt möglicherweise viel eher ihm als der Weißen Burg.« Dieser Rasiermesserblick konzentrierte sich wieder auf Nynaeve. »Berichtet uns etwas, das wir noch nicht gehört haben. Ich habe Eure sämtlichen Berichte gehört Mädchen, also weiß ich Bescheid und merke, wenn Ihr nur wiederholt.«
»Gebt Euch Mühe, Kind. Ich bin sicher, Ihr wollt nicht, daß Delana Euch böse ist. Also...« Janya schwieg, als ein erneutes Räuspern ertönte.
Nynaeve hoffte, sie würden das Klappern ihrer Teetasse so deuten, daß auch sie erschüttert sei. Verängstigt hierher geschleppt zu werden - nein, nicht verängstigt; aber doch zumindest besorgt, wie zornig die beiden wohl wären - und nun dies! Wenn man sich in der Nähe von Aes Sedai aufhielt, lernte man schnell, genau hinzuhören. Vielleicht erfuhr man auch dann noch nicht, was sie wirklich meinten, aber die Chancen standen auf jeden Fall besser als beim flüchtigen Hinhören, wie es die meisten Leute für gewöhnlich taten. Keine von beiden hatte behauptet, sie glaube, daß sie etwas zurückhielt. Sie wollten sie lediglich einschüchtern, in der Hoffnung, es werde etwas Neues dabei herauskommen. Sie ließ sich aber nicht einschüchtern. Jedenfalls nicht sehr. Statt dessen war sie wütend.
»Als er noch ein Junge war«, begann sie vorsichtig, »ließ er eine Bestrafung ohne Murren über sich ergehen, wenn er glaubte, sie verdient zu
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