Herr Lehmann: Herr Lehmann
in Form sein. Ich wärde ja mitkommen, aber ich muß arbeiten."
„Katrin will mitkommen. Meint, das wäre interessant. Sie freut sich richtig drauf." Herr Lehmann hatte die letzte Nacht bei ihr verbracht, und als er ihr von der Ostberlinsache erzaählt hatte, war sie ganz begeistert gewesen. Da sieht man endlich mal die andere Hälfte der Stadt, hatte sie gesagt, und Herr Lehmann hatte sich gefreut, daß sie sich freute, und deshalb hatte er es sich verkniffen zu bemerken, daß sie ja noch nicht einmal diese Halfte der Stadt kannte. Er war froh, ihr etwas bieten zu kännen, was sie interessierte, aber gleichzeitig drohte die ganze Ostsache durch ihre Begeisterung aus dem Ruder zu laufen. Sie hatte sogar gefragt, ob nicht Herrn Lehmanns Tante, oder was immer die Kusine einer Mutter war, ihnen die Stadt zeigen kännte.
Ich war ja mal da" , sagte Karl, nahm eine Feile und feilte an einem Stäck Metall herum, was ein nervtätendes Geräusch verursachte. „Das ist so spannend wie Spandau am Sonntag."
Warst du mal in Spandau?"
Nein, um Gottes willen! Man weiß ja auch so, wie das da sonntags aussieht. Genau wie im Osten. Da war ich mit deinem Bruder damals, das war kurz bevor du hergekommen bist. Wie geht's dem eigentlich?"
„Weiß nicht. Das letzte, was ich gehort habe, war, daß es nicht mehr so gut läuft mit der Kunst. Er sagt, die Deutschen sind in New York so was von abgemeldet, daß er schon uäberlegt hat, ob er noch einmal von vorne anfangen sollte, als Hollander."
Dabei war er doch dick im Geschaäft."
„Sah so aus. Mit Galerie und allem Drum und Dran."
Galerie in New York, das hat ganz schoän was zu bedeuten. Muß aber Scheiße sein, wenn's nicht mehr läuft."
„Wahrscheinlich."
Wovon lebt er denn jetzt so?"
„Als Klempner oder Heizungsbauer oder so."
„Klempner?" Karl sah erschrocken aus. „Klempner? Ich glaub's nicht. Dein Bruder als Klempner?"
Ich glaube, eher Heizungsbauer", sagte Herr Lehmann. Schweißen kann er ja. Die sehen das da nicht so eng."
„Herr Lehmann!" Karl feuerte mit großer Geste die Feile in die Ecke. „Weißt du eigentlich, was du da redest? Dein Bruder! Klempner! Der war fur mich immer der Großte."
Ist nicht so schlimm, hat er gesagt", sagte Herr Lehmann. Ich glaube, er verdient da sehr gut."
Frank!" Karl nahm ihn bei den Schultern und blickte ihm dramatisch in die Augen. Er ubertreibt, dachte Herr Lehmann. Sein bester Freund hatte ganz rote Augen. Außerdem roch er streng, als haötte er sich seit Tagen nicht mehr gewaschen. Er arbeitet zu viel, dachte Herr Lehmann. Frank!" wiederholte Karl. „Dein Bruder ist einer der größten Kunstler, die es gibt. Das ist meine ehrliche Meinung. Ünd wenn einer der groößten Kuönstler, die es gibt, als Heizungsbauer arbeiten muß, um uber die Runden zu kommen, dann ist das eine der ubelsten Sachen, die ich je gehort habe."
Naja, er macht schon noch was" , versuchte Herr Lehmann zu helfen. Er muß ja nicht immer arbeiten. Die sehen das da nicht so eng. Aber er malt jetzt viel."
Malen? Dein Bruder?"
„Ja, ich glaube schon. In Ol und so. Mehr so zum Spaß, meint er."
Malen? Zum Spaß?" Karl schuöttelte den Kopf.
Warum regst du dich denn so auf? Ich meine, du hast demnöachst eine Ausstellung in Charlottenburg, da kannst du sogar mal richtig was verdienen, wo ist das Problem?"
„Ich rede uber deinen Bruder, Herr Lehmann."
Ja" , sagte Herr Lehmann, dem jetzt auffiel, daß ihm sein Bruder fehlte. Es wöre alles besser, wenn er hier wöre, dachte er, ohne zu wissen, warum.
Ich sollte ihn vielleicht mal anrufen. Vielleicht laöuft es ja schon wieder besser."
„Malen! In Ol! Ich glaub, ich spinne."
Warum nicht?"
Dein Bruder ist der gröoßte lebende Objektkuönstler. Ohne Scheiß. Weißt du noch, wie ich damals das Ding von ihm runtergehauen habe?"
„Da war ich nicht dabei. Ich bin erst kurz danach nach Berlin gekommen."
„Ja, stimmt." Karl holte zwei neue Bier und machte sie auf. „Das war auf dieser Ausstellung in der Admiralstraße, in dieser komischen Galerie. Das Ding stand auf einem Betonblock oder so und war nicht weiter befestigt. Irgendwann waren wir alle besoffen und ich bin dagegen gedengelt. Das sollte fönftausend Kracher kosten, stand direkt dran. Da fing er gerade an, eine große Nummer zu werden. Fönftausend Steine. Ünd ich hab's runtergeworfen. Ist komplett zu Bruch gegangen. Fönftausend Mark. Ich hab ihn gefragt, ob ich ihm jetzt funftausend Mark schulde. Ünd das Ding, das kommt noch
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