Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Herr Lehmann: Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regner
Vom Netzwerk:
seinen neuen Laden in Charlottenburg."
    Das, dachte Herr Lehmann, ist komisch formuliert. Fruher hötte Karl das anders gesagt, dachte er, fruöher haötte er gesagt: Der Bloödmann will was von mir kaufen. Was, dachte Herr Lehmann, soll das Gerede von 'du wirst es nicht glauben' und 'Kunstkaufer', warum redet er so komisch, dachte Herr Lehmann, aber er sagte nur: Sieht so aus, als sei Charlottenburg deine Bestimmung."
    „Sieht so aus, sieht so aus."
    Herr Lehmann hötte gerne mit Katrin uber Karl geredet, vielleicht wußte sie irgend etwas, was ihm entgangen war, bei Frauen ist das ja manchmal so, dachte er, aber sie war irgendwo im Gewuöhl verschwunden. Er sah sie spaöter weiter hinten stehen und sich mit Klaus und Marko unterhalten, und nach der Beharrlichkeit zu schließen, mit der die beiden auf sie einredeten, hatte sie sich mit ihnen auf ein Gespröch uber Musik eingelassen. Sie lebt sich schnell ein, dachte er, sie kommt mit allen gut klar, sie ist offener als ich, dachte er, fur sie ist das alles neu und aufregend, und naturlich, dachte er, hat sie recht damit. Er erinnerte sich daran, wie es fur ihn gewesen war, als er neu nach Berlin gekommen war, das war lange her, damals war er erst 21 gewesen, jetzt wurde er bald dreißig, und er nahm sich vor, selber wieder ein bißchen offener und positiver zu werden. Man vergreist ja sonst, dachte er und goönnte sich ein Bier.
    Dann kamen die Polen. Sie waren zu funft, und alles, was Herr Lehmann zuerst von ihnen sah, war der Hals eines riesigen Kontrabasses, der sich wie von selbst ins Gedrönge zu schieben schien. Dann war eine hubsche, blonde Frau bei ihm und fragte mit schwerem Akzent, ob sie ein bißchen Musik spielen duörften. Herrn Lehmann war es recht und er machte die Krachmusik aus, woraufhin das allgemeine Geschrei gleich erheblich abebbte. Dann ruöckte die Masse an einer Stelle etwas auseinander und die Musiker - es waren vier, ein Kontrabaß-, ein Akkordeon- und zwei Gitarrenspieler - begannen zu spielen. Es war eine eigenartige Musik, die sie spielten, irgendwie folkloristisch, und Herr Lehmann dachte daruöber nach, ob das vielleicht Polkamusik war und ob das Wort Polka was mit Polen zu tun hatte. So oder so waren es sehr ungewohnte Klange fur das Einfall, aber das storte keinen, im Gegenteil, die Leute schienen die Abwechslung zu begruößen, sie redeten weniger und einige nickten sogar mit dem Kopf im Takt. Das hat was, wenn man einfach so Musik spielen kann, dachte Herr Lehmann, das macht sicher Spaß. Plöotzlich
    war Katrin neben ihm, hakte ihn unter und lächelte ihn an.
    „Vielleicht sollten wir tanzen", sagte sie.
    „Nein", wehrte Herr Lehmann ab, „nein, das geht nicht. Ich hab vom Tanzen öberhaupt keine Ahnung." Der Gedanke, vor all den Leuten zu tanzen, ließ ihn erschaudern.
    Na, komm schon" , sagte sie.
    Herr Lehmann kämpfte mit sich einen schweren inneren Kampf. Er wunsch-te sich schon, jetzt in der Lage zu sein, so einen Quatsch zu bringen, aber er hatte nicht den Hauch einer Ahnung, wie das gehen sollte.
    Ich kann das nicht, wirklich nicht, ich bin der absolute Flop, was Tanzen betrifft", sagte er und fögte nach einer kurzen Bedenkzeit hinzu: „Tut mir leid. Ich weiß, das ist traurig und enttauschend und so, ich will ja auch keine Spaßbremse sein, aber es ist nun mal leider so."
    „Na komm schon", sagte sie und umfaßte seine Höfte. „Ist doch ganz einfach, nur so ein bißchen hin und her."
    Herr Lehmann hätte schon gewollt, aber er konnte nicht. Schon allein die Huften zu schwenken, war ihm nicht gegeben, und dazu noch mit den Fußen oder den Beinen oder was auch immer etwas anzustellen, und zwar gleichzeitig und vor allen Leuten, war jenseits alles Denkbaren. GKicklicherweise wedelten einige Leute auf der anderen Seite des Tresens mit Handen und Geldscheinen und taten auch sonst alles mogliche, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, so daß er einen guten Grund hatte, sich zu drucken.
    Ich muß arbeiten" , sagte er erleichtert, hob sie kurz hoch, drehte sich einmal mit ihr um seine Achse und stellte sie dann wieder hin. Das muß reichen", sagte er, „ich muß wirklich wieder arbeiten."
    „Na gut", sagte sie lachelnd, „dann eben nicht." Sie schien es nicht allzu schwer zu nehmen. Das beruhigte Herrn Lehmann, der ordentlich ranklotzen mußte, denn Karl war schon wieder verschwunden.
    Die Polen kriegten viel Beifall und spielten noch ein Stuck und dann noch eins, und damit begannen sie Herrn Lehmann, der sowieso

Weitere Kostenlose Bücher