Herrentier
mit den Tränen. »Dein Kopf …«
Für Jeanette, die sich ohnehin schon hinter Schwarz und Behnke zurückgezogen hatte, war es zu viel. Mit schnellen Schritten verschwand sie in der Patiententoilette. Gregor unterdrückte mit Mühe den Impuls ihr zu folgen.
Schwarz’ Handy vibrierte, als Schwester Katrin das Zimmer betrat.
»Habe ich nicht vorhin deutlich gesagt, dass Mobiltelefone auszuschalten sind?«, fragte sie mit einer Stimme, die den Hauptkommissar förmlich an den Ohren packte.
»Nein, nein, das war ich nicht!«
»Kommen Sie mir bloß nicht so!«
Behnke schaute seinen Kollegen triumphierend an, während Grieshaber zu vermitteln suchte: »Ist es nicht mittlerweile erwiesen, dass die Strahlungen der Telefone keinerlei Auswirkungen auf medizinische Gerätschaften haben? «
Die Krankenschwester bahnte sich ihren Weg zum Tropf, an dem Evelyn angeschlossen war, und ermahnte unverhohlen harsch: »Besucher und Patienten haben hier, auf dieser Station des Südstadtklinikums, ihre Handys auszuschalten. Und nun bitte ich alle, die keinen Verband um den Kopf haben, auf dem Flur zu warten.«
»Ich bin Arzt und ihr Ehemann.«
»Alle ohne Verband. Es sei denn, Sie wollen einen.« Ihr jetziger Tonfall klang nicht so, als würde sie weitere Widerworte dulden, und so fügte sich auch Dr. Hammer.
Kurz darauf versammelten sie sich auf dem Flur wie aus dem Klassenzimmer geworfene Schüler. Noch einmal öffnete sich die Tür und Jeanette trat heraus, mit geröteten Augen. Behnke ergriff das Wort.
»Ich glaube, es sind nicht alle über die jüngsten Entwicklungen im Bilde. Bevor ich meinen Kollegen Schwarz bitte, Sie auf den aktuellen Stand bringen, muss ich Sie, Herr Simon, als Zeugen auffordern, uns für einen Moment allein zu lassen.« Alle Augenpaare waren auf Gregor gerichtet, der nun nickte und in Richtung Wartezimmer verschwand. Als er dies erreichte, warf er nur einen flüchtigen Blick hinein, setzte aber seinen Gang fort, um sich kurz darauf vor einem geöffneten Flurfenster auf einen Besucherstuhl fallen zu lassen. Misstrauisch sah Behnke ihm hinterher, ehe er sich an die Gruppe richtete. »Zumindest für den gestrigen Überfall kommt unser bisheriger Hauptverdächtiger Bernd Fühmann nicht mehr in Frage, aber ich möchte nicht vorgreifen …« Er nickte Hauptkommissar Schwarz ermunternd zu, der zögernd hervortrat.
»Ja, wir hatten ja nun diesen Schietkram im Segelclub, nicht wahr?«
Gregor saß der Schock von Gehlsdorf noch immer in den Gliedern. Wie durch dichten Nebel beobachtete er die Gruppe um Grieshaber. Seit seiner Ohnmacht waren kaum zwei Stunden vergangen. Bleich und ohne Widerworte war er mit ins Krankenhaus gefahren. So wie er sich fühlte, schien dies auch genau der Ort zu sein, an dem er momentan am besten aufgehoben war. Was sollte er auch in der Redaktion? Jürgen würde ihn wegen der erneut vermasselten Top-Story ohnehin einen Kopf kürzer machen. Keine verlockende Vorstellung. Sein Blick fiel auf einen greisen Mann im gestreiften Bademantel. Seine geäderten Beine waren nur halbherzig von Thrombosestrümpfen bedeckt und steckten in Pantoffeln. Ein Gestell mit diversen Schläuchen vor sich her schiebend, schleppte er sich über den Stationsflur. Das furchtbare Bild von heute Nachmittag ergriff wieder Besitz von Gregor. Ihm brach kalter Schweiß aus, nur mit Mühe konnte er einen Würgereiz unterdrücken. Er drehte sich zum Fenster und schnappte nach frischer Luft. Seine Hand zitterte, als er seinen Hemdkragen lockerte.
Unterdessen füllte Schwarz, nur wenige Meter von Gregor entfernt, den Ausdruck »Schietkram« mit näheren Informationen. »Der Sicherheitschef des Zoos, Henning Schwarck«, er hackte die Endung geräuschvoll ab, wohl um jede Verwechslung zu seinem eigenen Namen auszuschließen, »ist tot. So wie es momentan aussieht, wollte sich Schwarck an der Slipanlage in Gehlsdorf erhängen. Das ist ihm aber nicht so recht geglückt, denn der Seilzug hat ihn … in zwei Teile gerissen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und fügte in Anspielung auf die Tätigkeit des Toten hinzu: »Da wollte wohl jemand auf Nummer sicher gehen.«
Einen Schritt zurücktretend verzog Holger Hammer das Gesicht. Grieshaber räusperte sich. »Geschätzter Kollege, bitte ersparen Sie uns Details. Denken Sie, dass Schwarcks Suizid in Reaktion auf die Ereignisse der letzten Tage erfolgte?«
»Na ja, ist halt wieder einer weniger im Zoo …«, Schwarz zuckte mit den Schultern, »bisschen komisch
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