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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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Prolog

    Emma hatte ihn sofort am Geruch erkannt. Ihr war es nicht bewusst: Sein Schweiß erinnerte an Thymian. Sie mochte das. Er brachte oft etwas zum Naschen mit, wenn er sie bei Anbruch der Dunkelheit besuchte. Wie gern hätte sie ihn untersucht, seine Hand, die ihr das Zuckerzeug zuwarf. Auch wollte sie seine Haare berühren, doch er hielt stets Abstand. Sosehr sie sich auch mühte, sie konnte ihn nicht erreichen. Heute verspürte sie allerdings keinen Drang dazu.
    Die Nachtlampe, die dem Raum grünliches Licht spendete, surrte, als würden auf ihr Insekten gebraten. Wie immer waren seine Schritte entschlossen. Er versuchte gar nicht erst, auf dem gefliesten Grund leise zu sein. Warum auch? Obgleich – er war nervös, hatte Respekt vor Emma, vor ihrer Kraft und Schnelligkeit, die selbst einem 1,90-Meter-Recken wie ihm gefährlich werden könnten. Und heute würde er ihr so nah kommen wie noch nie. Es war so entsetzlich schwül, dass er es in der Uniform, die er nachts immer trug, kaum aushielt. Noch dazu hier, in diesen Schwaden aus Körperausdünstungen und Schmutz. Sein Heuschnupfen machte ihn wahnsinnig. Die Augen juckten. Er durfte nicht anfangen zu reiben. Plötzlich lief es aus seinen Nasenlöchern heraus. Nicht schnell genug bekam er ein Taschentuch zu fassen, sodass ihm das Sekret die Mundwinkel entlanglief. Wie er das hasste. Energisch warf er den Kopf in den Nacken und nutzte den Strick, den er in der linken Hand hielt, um ihn sich vor die Nase zu halten. Emma saß still in ihrer Ecke. Anders als sonst, wenn sie ihm förmlich entgegensprang.
    Sie spürte seine Aufregung, Botenstoffe, die durch die Luft zogen und ihre empfindsamen Nerven erreichten. Doch die Trauer um ihre kleine Tochter machte sie kraftlos. Man hatte sie gewaltsam voneinander getrennt. Ihr Baby. Sie verstand nicht, warum. Den ganzen Tag hatte sie den Raum abgesucht, geschrien, geweint, am Fenstergitter gerüttelt. An den Wänden waren Blutspuren ihrer Finger zu erkennen. Emma war gegen die Tür gerannt. Glühend vor Wut hatte sie ihren Kopf vor – und zurückgestoßen.
    Er wusste, dass die Kleine im Krankenhaus war. Es stand sogar in der Zeitung. Jeder in der Stadt, auch er, bekam beim Anblick ihres Bildes so einen Zug im Gesicht, wie ihn nur Neugeborene und kleine Hunde auslösen können. Er warf Emma die Gummibärchen zu. » Hallo, meine Süße! Ich hab dir wieder etwas mitgebracht. Alles wird gut. Anna und du, ihr seid schon bald wieder zusammen. « War da ein kleines Zucken, als er den Namen von Emmas Tochter aussprach? Das konnte doch nicht sein. Oder doch? Er schob die Gelatine mit den Stiefeln näher zu ihr, während er mit der Rechten den Schlagstock aus der Halterung zog. Vorsichtig kam er dichter, hob den Strick, der zu einer Henkersschlaufe gebunden war, langsam vor ihren Kopf. Emma stieß den Strang mit ihrer linken Hand weg. Beiläufig, wie man sonst eine Fliege verscheucht. Dennoch zuckte er zurück. » Du brauchst keine Angst zu haben! « , flüsterte er – wohl auch zu sich selbst. Ihre blutunterlaufenen Augen musterten ihn. Emma verharrte in ihrer Hocke. Absprungbereit. » Ruhig, ruhig, ganz ruhig! Meine süße Emma. « Mit kaum wahrnehmbarer Geschwindigkeit hob er das Seil wieder hoch, um es ihr über den Kopf zu legen. Sein Herz pumpte wild, ließ seine Adern hervortreten. Emma wirkte nun konzentrierter, nicht mehr so lethargisch. Der Schlag traf sie genau zwischen den Augen. Ihre Hand griff nach seinem Bein, verkrallte sich in seiner Hose, bekam ihn aber nicht zu fassen. Blut quoll aus der Wunde, lief ihre Wangen entlang. Er drosch wieder zu. Vier, fünf, sechs dumpfe Schläge hagelten auf ihren Schädel. Im Rausch. Noch zwei, drei auf ihre Schultern. Die ganze Wut. Sie fiel zur Seite. Endlich hielt er inne, verharrte regungslos in schlagbereiter Haltung vor ihrem geschundenen Leib. Es war still, nur das Surren der Lampe, bis der Strick ihm aus der Hand glitt und in das Blut patschte, das nach und nach die bunten Gummibärchen umschloss.

ERSTER TEIL

Blutspur

    Gregor Simon hielt zwei Salatköpfe nebeneinander. Mit dem linken Daumen drückte er eine Delle in das weiche Gemüse. Unter der Folie sammelte sich braune Flüssigkeit.
    »Garantiert ökologischer Anbau«, raunte eine Stimme hinter ihm.
    Gregor drehte sich um. Der junge Mann im Polohemd war offensichtlich mit dem Auspacken von Ware beschäftigt. Ein Namensschild unter dem Frischemarkt-Logo wies ihn als Alexander aus.
    Gregor hielt ihm die beiden Köpfe

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