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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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ist das schon, nicht wahr?«
    Der Pressesprecher zog peinlich berührt die Augenbrauen nach oben und blickte in die Runde und dann zu Gregor herüber. Der bemerkte das, schob seinen Stuhl zurück und lief zur Gruppe zurück. Er musste schnellstens an die Luft und ans Licht. »Entschuldigung«, sagte er. »Ich gehe jetzt nach Hause. Ich …, ich will heute pünktlich sein.« Verlegen wischte er sich mit einer Hand über das Gesicht. Er schluckte. »Ich möchte jetzt zu meiner Familie.«

Steak

    »Verdammt!«, fluchte Gregor, als er sein Fahrrad kurz nach dem Kreisverkehr in den Kassebohmer Weg lenkte. Vor dem Grundstück der Familie Schwarck parkten fünf Polizeiwagen. Wieder einmal war er also umsonst gekommen. Nur zwei Stunden zuvor wäre ihm angesichts dessen ein gewaltiger Stein vom Herzen gefallen. Aber nun stieg er enttäuscht vom Sattel und schob die letzten Meter, um in Ruhe überlegen zu können.
    Jürgen hatte ihn am Vormittag angerufen und hierher nach Brinckmansdorf, in den Südosten der Stadt, geschickt. Er sollte Fanny Schwarck Hintergrundinformationen entlocken. »Da kann ich keinen Praktikanten hinschicken, da brauch ich meine besten Leute. Sorry, mein Lieber, aber wer, wenn nicht du?« Wenn Jürgen mit arbeitspsychologischen Tricks operierte, dann war er entweder verzweifelt oder der Job wurde wirklich schmutzig. Die junge Witwe mit einem Interview zu bedrängen, bedeutete für Gregor, in der Talsohle seiner journalistischen Laufbahn angekommen zu sein. Nach Jürgens Anruf hatte er auf der Suche nach Zigaretten sämtliche Innentaschen und Schubladen der Wohnung durchwühlt, und das, obwohl er schon seit Jahren nur noch auf Hochzeiten rauchte. Selbst im Kühlschrank hatte er nachgesehen, woraufhin seine Wahl schließlich auf zwei Flaschen Bier gefallen war, die er dann in wenigen Zügen geleert hatte. Nervös war er durch die Räume geschlichen, hatte aufgeräumt, Bücher sortiert und sogar eine Gardinenstange angebracht, nur um sich abzulenken. Erst als es auf 15 Uhr zuging, die Kinder würden bald nach Hause kommen, hatte er sich endlich aufgerafft und war aufgebrochen. Mit dem Alkohol im Blut war es schwergefallen, in Tritt zu kommen, allerdings hatte die Bewegung ihm gutgetan. Auf der Höhe des Flussbades war es ihm zumindest gelungen, sich ein wenig Mut zu machen. Womöglich würde Frau Schwarck seinen Besuch sogar dankbar aufnehmen. So manches Mal brachte die Gegenwart von Pressevertretern bei Menschen erstaunliche Reaktionen hervor.
    Doch nun, da er sein Zweirad schiebend in Richtung dieses Einfamilienhauses inklusive gehisster blau-weiß-roter Rostockfahne steuerte, ärgerte ihn sein Zögern nach dem Anruf. Wäre er vor der Polizei da gewesen, hätte er Jürgen vielleicht eine gute Story liefern können. Aber jetzt? Er hatte Hunger. Er bog ab in den Kate-Diehn-Bitt-Weg, eine kleine Straße, die an das Schwarcksche Grundstück grenzte. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, obgleich in fast jeder Einfahrt silberne Toyotas oder graue Volkswagen standen. Gregor lehnte sein Rad an eines der angepflanzten Birkenbäumchen. Betörender Grillgeruch wehte von den umliegenden Grundstücken herüber. Sein Magen knurrte.
    »Na, suchen Sie jemanden?«
    Gregor zuckte zusammen. Unmittelbar hinter ihm stand, auf eine Harke gestützt, ein vielleicht 70-jähriger Herr mit Knollennase, die ebenso wie die Wangen von violetten Äderchen übersät war.
    »Hier vorn, Vorsicht! Da hab ich heute früh gerade ein paar Stockrosen gesetzt!« Er wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. »Na, da ist ja mächtig wat los, bei Schwarcks. Sind Sie auch von der Schnüffelbrigade?« Der etwas untersetzt wirkende Alte griff mit einer Hand nach hinten und zog die Beulen seiner Cordhosen straff. Offenbar meinte er die Antwort schon zu kennen, da Gregor mit dem Rad gekommen war, und sprach weiter. »So’n feinen Kerl wie Henning«, klagte er.
    »Kannten Sie Henning Schwarck gut?«, fragte Gregor, der bislang noch nichts gesagt hatte.
    »Schon ewig. Ich kenn ihn, wie er als Stift bei uns auffe Werft angefangen hat. Feiner Jung! Hätt da richtig was werden können, ohne Wende und so.« Er schniefte durch die Nase. »Aber dann kam ja der ganze Schiet mit den Norwegers und später mit die Russen.« Er schnippte mit den Fingern, wohl um damit den Werftentod anzudeuten, und stellte die Harke beiseite.
    »Ach so, Sie meinen die Investoren und die ewige Werftenkrise«, sagte Gregor nickend. In der Tat war dies ein

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