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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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links bremsten die Autos, eine Straßenbahn näherte sich unaufhaltsam.
    »Schwarz!«, rief Gregor. Grieshaber gab Gas und preschte nach rechts.
    Schwarz pflügte durch den Feierabendverkehr. Grieshaber nutzte die durch das Blaulicht in den Verkehr geschlagene Schneise und jagte hinterher. Gregor hielt sich am Griff über der Beifahrertür fest und begegnete mehr als einmal den empörten Blicken der zu Unrecht überholten beiseite gefahrenen Autofahrer, die in ihrem Phlegma aber allesamt zu überrascht waren, um obszöne Gesten zustande zu bringen.
    »Wenn Blicke töten könnten, würden wir Höllenqualen leiden«, sagte Gregor.
    »Ach was, mach mal einen Tag lang Verkehrskontrollen, dann gewöhnst du dich daran«, entgegnete Grieshaber ungerührt.
    Auf der Kreuzung vor dem Steintor hinterließ Schwarz ein kapitales Verkehrschaos. Grieshaber schlüpfte gerade noch hindurch, bevor sich die Lücken wieder schlossen. Sie rasten die Barlachstraße hinunter, rechts das auf den Trümmern des einstigen Theaters gebaute  Nord-Druckhaus , links jener Neubau, den sich die  Industrie- und Handelskammer  gegönnt hatte, der den darunterliegenden historischen Kern verschlang wie eine riesige Pelzmütze einst das Gesicht eines sowjetischen Generalsekretärs. Sie flogen am Kuhtor vorbei und bogen schließlich unten in die Neue Warnowstraße ein.
    Gregor klebte an seinem Haltegriff. Da ihm vom Fahren schwindelig war, versuchte er sich auf die Umgebung zu konzentrieren. Sie passierten die künstlich angelegten Grachten, die das Viertel unterhalb der Stadtmauer zu einer noch viel attraktiveren Gegend gemacht hätte, wäre den Menschen dort eben jene neue Straße erspart geblieben, auf der Grieshaber jetzt Schwarz hinterherfuhr. Auf der einen Seite ein idyllisches Wasserspiel, auf der anderen die historische Altstadt und ein großer Spielplatz. Dazwischen Autos und Straßenbahnen. Kein Zweifel, hier waren Technokraten am Werk gewesen. Das ist überhaupt das Problem von Rostock, dachte Gregor. Die Innenstadt ist eigentlich passabel, aber teuer, klein und dazu auch noch in jeder Richtung begrenzt. Die Stadtplaner mehrerer Jahrzehnte haben Straßen wie eine Schlinge rings um sie herum gelegt, was jede natürliche Bewegung zum Wasser hin oder heraus in die Region verhindert. Mehr Luft, dachte Gregor, öffnete seine Windjacke und lockerte den Hemdkragen. Ihm war übel und jetzt brach ihm auch noch der Schweiß aus. Quasi im Windschatten von Schwarz hatten sie die Vorpommernbrücke passiert und waren unten an der Ampelkreuzung links nach Dierkow abgebogen. Quer durch eine der hässlichsten Gegenden Rostocks ging es nun geradeaus direkt nach Gehlsdorf, wo wiederum eines der schönsten Viertel der Stadt lag. Liebevoll renovierte Villen, Blick auf die Warnow.
    Gehlsdorfs Nachteil: Es liegt auf der falschen Seite des Flusses. Die City ist nur einen Steinwurf entfernt, aber weil es keine Brücke gibt, ist sie bei normalem Verkehr erst nach einer Viertelstunde Autofahrt erreichbar, sinnierte Gregor, während seine Hand am Türgriff krampfte.
    Schwarz raste eine Kopfsteinpflasterstraße hinab in Richtung Warnowufer, bog noch einmal scharf links ab und hielt.  Segelclub Greif  stand schmiedeeisern ins Tor gebogen.

    Grieshaber parkte ein paar Meter vom Eingang entfernt. Ein Polizist war dabei, rot-weißes Plastikband zu spannen. Der Kunststoff flatterte im Wind und machte ein ähnlich knatterndes Geräusch wie die Verklicker oben an den Masten der Segler. Ein weiterer Uniformträger war dabei, auf ein paar verstört aussehende Männer beruhigend einzureden und sie hinter die im Aufbau befindliche Absperrung zu verbannen.
    »Lass deine Kamera in der Tasche, sonst jagen dich die Kollegen gleich vom Acker. Du dürftest überhaupt nicht hier sein«, raunte Grieshaber. Ein Beamter ließ sie unter dem Plastikband hindurchschlüpfen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit schien ein Bootshaus zu stehen, das relativ dicht am Wasser lag. Von dort kam ihnen jetzt Schwarz mit einem Mann in dunkelblauer Seglerwindjacke entgegen. »Setzen Sie sich mal hier irgendwo und ruhen Sie sich aus«, sagte er gerade. »Gleich kommen ein paar Sanitäter, die kümmern sich um Sie.«
    Gregor kam der Mann bekannt vor. Als sie an ihm vorbeigingen, sah er, dass er weinte. Es war Professor Kramer. Gregor wollte grüßen, aber Kramers Blick ging ins Leere. Im Weitergehen drehte Gregor sich staunend um und prallte auf Grieshaber, der unmittelbar vor ihm stehen geblieben war.
    »Ich

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