Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
Liebeswut
I.
Der Raum war voll von fremden Gesichtern. Er hörte aufgeregte
Stimmen und wirres Lachen – das alles in einer Sprache, die ihm
noch so unendlich fremd erschien, ja, fast unheimlich.
Als er den Klassenraum betrat, wurde es augenblicklich still. Alle
sahen ihn an. Verkrampft nahm er Kurs auf einen Tisch, an dem
noch niemand saß. Doch kaum hatte er sich gesetzt, fing das
Getuschel an.
„Ist das der Neue?“
„Guck mal die Klamotten an ... Wo gibt es denn so was?“
Hinter ihm kicherten einige Mädchen. Er sah verstört zu Boden.
„Und die Haare“, hörte er einen Jungen nicht leise genug flüstern,
„scheint etwas viel weibliche Hormone zu haben, der Neue!“
Diese Äußerung wurde mit allgemeinem Gelächter belohnt, und
Neal wünschte, dass er sich in Luft auflösen könne.
Wütend drehte er sich um, als plötzlich der Lehrer den Raum
betrat und schlagartig Ruhe einkehrte. Neal saß noch immer
alleine. Er seufzte und fuhr sich durch seine schwarzen Haare.
Dabei ließ er seinen langen Pony ins Gesicht fallen, als wolle er
sich dahinter verstecken.
„Du bist also der neue Schüler aus England?“, hatte der Lehrer ihn
begrüßt. „Vielleicht möchtest du deinen Mitschülern etwas über
dich erzählen?“
Neal hatte nur den Kopf geschüttelt. Das Kichern und Tuscheln
hinter seinem Rücken hörte einfach nicht auf.
„Ich verstehe ja, dass der erste Schultag an einer fremden Schule
und in einem fremden Land schwierig ist“, hatte Weiler, der
Klassenlehrer, nach dem Unterricht zu Neal gesagt. „Doch ich
verlange eine gewisse Kooperation von dir!“
Spießer, dachte Neal, als er in der Pause allein, abseits der anderen
Schüler, auf dem Schulhof stand. Er lehnte sich an den Zaun,
kramte seine Zigaretten hervor und zündete sich dann eine an.
Wenige Minuten später kamen Dennis und Kevin, zwei Jungen
seiner Klasse, genau auf ihn zu.
„Guck mal, der neue hat Kippen!“, rief einer von ihnen.
Sie kamen noch näher.
„Gib uns auch eine.“
„Ich denke nicht daran“, sagte Neal.
„Wird’ nicht frech, Antonsen!“, zischte Dennis. Er war ein
bulliger Typ mit kurzen, dichten Haaren. Seine Stimme war
dominant.
„Ich heiße Anderson.“ Neal zog lässig an seiner Zigarette.
„Deine Hochnäsigkeit wird dir noch vergehen!“
Neal versuchte, gelassen zu bleiben, doch seine Klassenkameraden
gaben nicht auf.
„Zu deinem Einstand musst du wohl eine ausgeben!“ Dennis
lachte gehässig.
Neal ließ sich dennoch nicht einschüchtern. „Verzieht euch!“,
sagte er übermütig. Doch mit der Aggressionsbereitschaft seiner
Mitschüler hatte er nicht gerechnet. Dennis ging auf ihn los und
stieß ihn mit aller Kraft gegen den Zaun. Neal ließ seine Zigarette
fallen und ging sofort zu einem Gegenangriff über, obwohl er
wusste, dass er alleine keine Chance hatte. Kevin mischte sich
augenblicklich ein, und im Nu hatte Neal mit beiden zu kämpfen.
Er konnte sich kaum wehren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als
wild um sich zu schlagen und auf Hilfe zu warten.
Die Hilfe blieb nicht lange aus. Neal bemerkte, wie sich ein junger
Mann, offensichtlich auch ein Schüler, näherte, nach Dennis griff
und ihn wegzog.
„Euch geht es wohl zu gut!“, schrie er. Neals neue Klassenkameraden sahen den jungen Mann mit entsetzten Augen an. Sie
wirkten fast ängstlich.
„Haut ab! Sonst könnt ihr was erleben!“
Sofort liefen die beiden Jungen davon. Neal stand langsam auf,
dabei klopfte er sich die staubige Hose ab. Ein leises „Danke“ kam
über seine Lippen.
Der junge Mann lächelte. Er war etwas größer als Neal, hatte
blonde Haare, war recht schlank und wirkte äußerst gepflegt. Er
trug nicht, wie die anderen Schüler, Jeans und Pullover, sondern
war mit einem weißen Hemd und grauer Seidenhose gekleidet.
Über seinem Arm hing eine helle Wildlederjacke.
„Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.“
„Was für ein Wunder!“, entgegnete Neal sarkastisch. Er war
dankbar für die Hilfe des fremden Schülers, und doch hatte er
keine Lust, sich näher mit ihm zu befassen. „Ich bin den ersten
Tag hier.“
Der junge Mann nickte verständnisvoll.
„Ich bin Dirk ... aus der Dreizehnten. Ich bin Schülersprecher an
der Schule, also, wenn du mal ein Problem hast, dann ...“
Neal winkte sofort ab.
„Ja, ja ...“ Erneut griff er zu den Zigaretten.
„An deiner Stelle würde ich hier nicht rauchen“, sagte Dirk, doch
Neal hörte nicht auf ihn. Stattdessen begann er
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