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Herrentier

Herrentier

Titel: Herrentier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Joseph
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von hier in alle Gehege sehen.« Sie machte eine verzweifelte Geste mit der Hand.
    »Hast du es telefonisch versucht?«
    »Natürlich. Sie antwortet nicht. Die Halle ist im Innern weit verzweigt, und auch die Außenanlagen sind extrem unübersichtlich. Leicht möglich, dass wir bereits ein paar Male aneinander vorbeigelaufen sind.«

    In Professor Kramers Augen loderte ein lange unterdrückter Hass.
    »Du hast alles kaputt gemacht, Evelyn. Wieso?« Er hatte auf einem Besucherstuhl Platz genommen und die 8-mm-Perkussionspistole auf seinem Oberschenkel abgelegt. Verglichen mit modernen Modellen war sie zwar aufwendig mit einem feinen Rankenwerk aus Silber verziert, aber dafür sehr kompliziert zu laden und auf Dauer auch sehr schwer, erst recht für einen Schreibtischarbeiter wie ihn. Ihm gegenüber saß mit aneinandergepressten Beinen Evelyn Hammer, ebenfalls auf einem Stuhl, jedoch kerzengerade mit hinter dem Kopf verschränkten Händen.
    »Du fragst mich nach dem Wieso? Vor ein paar Minuten erzählst du mir, dass du vor zwanzig Jahren eine junge Frau umgebracht hast, und jetzt fragst du mich, warum  ich  etwas zerstöre?« Sie mühte sich nicht, ihre Verachtung zu verbergen.
    »Meine Güte, eine Jugendsünde,  nothing to write home about  würde der Engländer sagen.« Kramer richtete sich auf. »Kein Schwein hätte sich für die noch interessiert, wenn du nicht, koste es was es wolle, dein verdammtes Affenhaus hättest bauen wollen.« Sein Unterkiefer zitterte.
    »Jugendsünde? Du hast kein Gras geraucht, sondern einen Menschen ausgelöscht! Wie konntest du nur all die Jahre damit leben?«
    »Glaubst du, für mich war es leicht? Weißt du, wie viel Energie es mich gekostet hat? Ich hätte mir sehr wohl vorstellen können, meine Kraft auch in einer anderen Stadt zu investieren, wo Leuten wie mir weitaus mehr Respekt entgegengebracht wird.«
    »Respekt«, sie spuckte das Wort fast aus.
    »Richtig, Respekt. Ich weiß, es klingt ein klein wenig eitel, aber ja: Respekt.« Er machte eine Pause, ehe er fortfuhr »Ich habe mir über all die Jahre ein Netz gesponnen, das nahezu jeden Bereich im öffentlichen Leben erreicht. Jedes öffentliche Unternehmen. Jedes Amt. Ich brauche nur in meinem Sessel zu sitzen und ein wenig am Faden zu ziehen.« Er vollführte mit Daumen und Zeigefinger eine federnde Bewegung. »Menschen funktionieren doch immer gleich, genau wie diese hübsche Pistole hier. Man betätigt den Abzug, der Hahn schlägt auf die Zündladung, sie zündet die Treibladung und PENG!« Nervös beobachtete Evelyn, wie er mit der Waffe herumfuchtelte.
    »Nimm doch mal Gertrud Landgräfe. Man braucht nur auf die Gier zu setzen. Ob das die Mittwochsangebote bei  Aldi  sind oder wie bei ihr ein schönes Grundstück zum Schnäppchenpreis.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Wie erbärmlich, sein ganzes Leben in der Schuld eines anderen zu stehen, nur für ein paar Tausender Vorteil.«
    »Deshalb hat sie den Bau blockiert«, flüsterte Evelyn und ließ die Arme sinken.
    »Genau, und deshalb hat sie auch den Senator über die Klinge springen lassen. So simpel.« Er hob ermahnend die Stimme: »Schön die Hände hinter den Kopf! Nicht müde werden, Powerfrau!« Kramer stand auf und begann sinnierend den dunklen Raum abzuschreiten. Diverse Gerätschaften brummten monoton. Mit winzigen Kontrolllampen informierten sie über Luftzufuhr, Strömung und Temperatur des Quallenkreisels, auf dessen Rückseite sie sich befanden und dessen Wassermassen den kleinen Steuerungsraum in ein bizarres Licht tauchten. Die dunkelgrauen Wände reflektierten das helle Schimmern des Aquariums, zarte blaue Streifen tanzten über den Beton.
    »Oder dieser Schwachkopf Henning Schwarck.« Er lachte. »So ein labiler Mensch und durchschaubar wie ein Hund, mal von seinen cholerischen Anfällen abgesehen. Obwohl …«, er überlegte und sprach dann mehr zu sich selbst, »… obwohl die in gewisser Weise ja auch berechenbar waren.« Er räusperte sich und fuhr dann lauter fort in verächtlichem Tonfall fort: »Durch seine Unbeherrschtheit hat der Penner alles versaut. Drischt auf den Affen ein und bringt diesen Tierpfleger um. Und dann richtet er auch noch sich selbst, wobei er damit ja zumindest Charakter bewiesen hat. Na«, sagte er seufzend, »irgendwie tat er mir auch immer ein bisschen leid. Was wollte er früher auf der Werft werden? Schweißer? Sein Leben wäre klar vorgezeichnet gewesen.« Er zog mit einer Hand eine imaginäre horizontale Linie

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