Herrentier
der Jackentasche. Er musste telefonieren. Jürgen. Polizei, Evelyn Hammer.
Im Zoo meldete sich die Sekretärin: »Frau Hammer ist unten bei den Affen« … »Nein, ihr Handy liegt hier.«
Gregor wählte die Nummer von Axel Grieshaber, aber noch während er die Zahlen eintippte, rief Jeanette Albrecht an. Gregor fluchte, dann nahm er den Anruf an.
»Gregor«, hörte er ihre aufgeregte Stimme. »Gregor, ich weiß, wer hinter allem steckt.« Sie schrie fast, Gregor wusste nicht, ob aus Triumph oder vor Angst.
»Ich auch«, sagte Gregor.
»Kramer«, schrie Jeanette ins Telefon. »Es ist Kramer.«
Angst, dachte Gregor. Kein Triumph. »Ich weiß. Wie bist du darauf gekommen?«
» Wayback Machine . Ich war wieder im Internet unterwegs«, sagte sie atemlos. »Kramer war der Gründer der ImmoEvent . Wenn ich eins und eins zusammenzähle, dann steckt er nicht nur hinter diesen eigenartigen Finanztransaktionen des Zoos, sondern auch hinter der Affäre der Landgräfe und wahrscheinlich auch hinter den Erpressungen. Der Mann ist skrupellos!«
»Und er ist ein Mörder«, sagte Gregor tonlos.
Am anderen Ende blieb es einen Moment still.
»Oh Gott, er ist hier«, hauchte Jeanette. »Kramer ist vorhin aufs Gelände gekommen, ich habe ihn gesehen. Und Evelyn ist allein im Affenhaus.«
»Ich komme«, sagte Gregor und legte auf. Er steckte sein Telefon ein und trat kräftig in die Pedale. Dann bremste er und schloss sein Fahrrad an die nächstbeste Laterne. Gegenüber warteten Taxis.
Silberrücken
Ein frischer Wind aus Nordwest wehte den Geruch von verbranntem Laub herüber. Aus den umliegenden Schrebergärten stiegen kleine Rauchwolken auf und legten einen schweren Duft über diesen Teil der Stadt. Der Taxifahrer hatte Gregor am Westfriedhof abgesetzt, weil sich der Verkehr vor ihnen staute und es nur noch wenige hundert Meter bis zum Zoo waren. Der Gedanke an die unmittelbare Nachbarschaft des Darwineums zu den Gräbern hier hatte ihm einen kurzen Stich versetzt. Aberglaube war Gregor fremd, dennoch spürte er in Sichtweite des Krematoriums Unbehagen. Womöglich schwebten Evelyn Hammer und Jeanette in großer Gefahr. Er lief den Pfad hoch, der zum Eingang des Zoos führte. Die Abendbeleuchtung war bereits angeschaltet und von den wenigen Menschen, die Gregor erblickte, ging niemand in seine Richtung. Gerade kam eine ältere Dame im Rollstuhl in Begleitung einer jüngeren Frau aus dem Tor heraus. Als er den Haupteingang fast erreicht hatte, entdeckte er an der Straße, die parallel zum Waldweg verlief, ein parkendes Fahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht. Der kurze Lauf hatte ihn aus der Puste gebracht, und während er versuchte, durch das Gebüsch zu erkennen, wer in dem Wagen saß, lief ihm der Schweiß den Nacken herunter. In der Abenddämmerung war nichts auszumachen, zumal die beiden endlosen Ketten aus weißen und roten Lichtern der Fahrzeuge des Feierabendverkehrs die Sicht mächtig erschwerten. Langsam stieg er die Treppen zum Parkplatz herab, um sich unauffällig dem Fahrzeug zu nähern. Es war der dunkelblaue Passat, dem er in Grieshabers Mazda hinterhergejagt war. Aus dem Innern dröhnte Musik. Behnke und Schwarz. Offenbar hatten sie den Hinweis erhalten, den er vor gut zwanzig Minuten in der Notrufzentrale hinterlassen hatte. Gerade als er sich entschloss, am Wagenfenster zu klopfen, heulte die Sirene neben ihm auf. Der Schreck fuhr ihm durch alle Glieder. Beinahe wäre er gestürzt. War das Bernd auf der Rückbank? Das war doch unmöglich. Mit dem ohrenbetäubenden Geheul des Martinshorns und der Signallampe, die im Sekundentakt aufblendete, fuhr der Wagen los. »Anhalten!«, schrie Gregor in der flauen Ahnung, dass hier gerade etwas gehörig schieflief. Jetzt rannte er, um sie einzuholen. Doch vergebens, sie bogen bereits auf den Barnstorfer Ring.
Gregor wählte 110.
»Notrufzentrale, Polizeiinspektion Rostock«, meldete sich eine Stimme, die klang, als dränge sie aus einem fernen Land zu ihm herüber.
»Simon, ich hatte vor einigen Minuten einen Notruf für den Zoo durchgegeben.«
»Ja, die Kollegen sind vor Ort.«
»Ich glaube, sie haben den Falschen, das heißt, ich bin nicht sicher, ob sie den Richtigen haben«, stammelte Gregor.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ich habe gesehen, dass jemand anderes im Auto saß, vermutlich Bernd Fühmann, und nicht Professor Kramer.« Der Mann am anderen Ende antwortete nicht. In der Zwischenzeit schritt Gregor wieder zügig in Richtung Zoo. »Hallo, hören
Weitere Kostenlose Bücher