Herrin der Falken
stieß wütend mit dem Schnabel nach ihm. Da zog er sich zurück und überließ ihn Romilly.
Als alle drei Vögel gekröpft hatten und ihr Gefieder putzten, wobei sie kleine, zufriedene Krächzer von sich gaben, sah Dom Carlo mit hochgezogenen Brauen zu Orain hinüber, und Orain sagte: »Reite mit uns nach Nevarsin, Junge, und weiter nach Tramontana, um diese Vögel bei Carolins Männern abzuliefern. Du kannst sie unterwegs in gesundem Zustand halten. Wir werden dich und dein Pferd ernähren und dir für je zehn Tage, die du bei uns bist und die Vögel gesund bleiben, drei Silberstücke geben. Und was deinen Falken angeht«, setzte er mit lustigem Grinsen hinzu, »er kann bestimmt für sich selbst sorgen.«
»Sie kann für sich selbst sorgen«, berichtigte Romilly, und Orain amüsierte sich.
»Ob ein Vogel männlich oder weiblich ist, interessiert niemanden außer einen anderen Vogel seiner eigenen Art. Im Gegensatz zu den Menschen, aye, Dom Carlo?« Er lachte, aber Romilly verstand nicht, was das für ein Witz sein sollte. »Nun, wie ist es, Junge? Willst du mit uns kommen und dich um die Kundschaftervögel kümmern?«
Romilly hatte ihren Entschluß bereits gefaßt. Sie wollte ja selbst erst nach Nevarsin und dann weiter nach Tramontana, wo sie ihren Bruder oder Nachricht über ihn finden würde. Auf diese Weise hatte sie Schutz und bekam zu essen. Sie antwortete: »Gern, Dom Carlo und Master Orain.«
»Also abgemacht.« Orain hielt ihr grinsend seine schwielige Hand hin. »Sollen wir uns jetzt, wo die Vögel satt sind, nicht außer Reichweite des Duftes ihrer Atzung verziehen und uns selbst etwas zu Gemüte führen?«
»Das hört sich gut an«, sagte Romilly und ging, ihr Pferd abzusatteln.
Das Essen bestand aus schwerem Teig, der nach einer einfachen Methode gebacken wurde. Man wickelte Streifen um Stöcke und hielt sie über die Flammen. Dazu gab es ein paar dicke Knollen, die in der Asche geröstet wurden. Romilly saß neben Orain. Er zog ein Beutelchen mit Salz aus der Tasche und bot ihr davon an. Nach der Mahlzeit wurden die Vögel wieder verkappt, wobei Orain Romilly um ihre Hilfe bat, und auf die Sattelblöcke zurückgetragen. Romilly hörte, daß einer der Männer murmelte:
»Der Junge da reitet ein Pferd, und wir müssen uns mit Hirsch-Ponys begnügen. Was meinst du – sollen wir es ihm wegnehmen?“
Orain drehte sich um. »Versucht es nur, und ihr könnt allein durch diese Wälder reiten. Alaric, in unserer Gesellschaft gibt es keine Diebe und Räuber, und wenn du das Pferd des Jungen mit einem Finger berührst, bekommst du es mit Dom Carlo zu tun!«
Romilly empfand tiefe Dankbarkeit. Anscheinend hatte sie in Orain einen Beschützer gefunden, und die zerlumpten Männer machten ihr etwas Angst.
Früher oder später, dachte sie, würde sie ihnen allein gegenüberstehen, ohne Beschützer…
»Wie heißen die Vögel?« erkundigte sie sich bei Orain. Er grinste sie an. »Gibt irgendwer solchen Scheusalen Namen wie dem Käfigvogel eines Kindes oder der einzigen Kuh einer alten Frau?«
»Ich tue es«, erklärte Romilly. »Ihr müßt jedem Tier, mit dem Ihr eng zusammenarbeiten wollt, einen Namen geben, damit es den in Euren Gedanken lesen und so erkennen kann, daß Ihr von ihm sprecht und ihm Eure Aufmerksamkeit zuwendet.“
»Ist das so?« Orain wirkte belustigt. »Dann schlage ich vor, daß du sie Scheusal eins, Scheusal zwei und Scheusal drei nennst!«
»Auf keinen Fall!« entrüstete Romilly sich. Der Vogel auf ihrer Faust flatterte unruhig, und sie setzte hinzu: »Vögel sind sehr sensibel. Wenn Ihr ihnen jemals nahekommen wollt, müßt Ihr sie lieben.« Erst als sie den Spott in den Augen des Mannes sah, merkte sie, daß sie errötete. Trotzdem fuhr sie fort: »Ihr müßt sie respektieren und Interesse für sie haben und echte Freundlichkeit für sie empfinden. Meint Ihr, sie wissen nicht, daß Ihr sie nicht mögt und Angst vor ihnen habt?«
»Und du hast keine Angst?« fragte Dom Carlo. Er schien es wirklich wissen zu wollen, und Romilly wandte sich ihm erleichtert zu. »Würdet Ihr Euren besten Jagdhund verhöhnen, wenn Ihr wollt, daß er gut mit Euch zusammenarbeitet und Euch auf ein Wort oder eine Geste hin gehorcht? Glaubt Ihr nicht, daß er es merken würde?«
»Ich habe nicht mehr gejagt, seit ich ein junger Bursche war«, erwiderte Dom Carlo. »Aber gewiß würde ich kein Tier, das ich zu meinem Dienst zu zähmen gedenke, anders als mit Respekt behandeln. Hört auf das,
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