Herrin der Stürme
gekommen? Aber er verdrängte den Kummer und brachte sich wieder in die Gewalt, um dem Tenérezu des Turms mit seiner Bitte gegenüberzutreten.
Ian-Mikhail runzelte die Stirn, und Allart glaubte, er würde es kurzerhand ablehnen. »Die Energie ist vorhanden«, sagte er, »oder kann zusammengebracht werden. Aber ich bin sehr abgeneigt, Tramontana in die Angelegenheiten der Tiefländer zu verwickeln. Bist du ganz sicher, daß deine Frau in Gefahr ist, Allart?«
Allart fand in seinem Geist nur das gesicherte Wissen, daß DamonRafael nicht zögern würde, sie festzusetzen, wie er Donal festgesetzt hatte. Donal, der ganz in der Nähe war und diesen Gedanken las, errötete vor Zorn.
»Das habe ich bis zu diesem Augenblick nicht gewußt. Lord Elhalyn kann von Glück reden, daß mein Pflegevater es nicht wußte.« Ian-Mikhail seufzte. »Hier sind wir im Frieden. Wir stellen keine Waffen her und nehmen an keinen Kriegen teil. Aber du bist einer von uns, Allart. Wir müssen deine Frau vor Schaden bewahren. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin auch in Nevarsin unterrichtet worden und würde lieber mit einem Leichnam oder Cralmac zusammenliegen, als mit einer unwilligen Frau. Aber ich habe gehört, daß dein Bruder ein erbarmungsloser Mann ist und über alle Maßen ehrgeizig. Geh, Allart. Setz dich durch die Verstärker mit Cassandra in Verbindung. Ich werde den Kreis für heute abend zusammenrufen.«
Allart ging in die Matrix-Kammer, zwang sich zur Ruhe für die bevorstehende Arbeit, warf sich in die wirbelnde Dunkelheit der Verstärker und trieb auf dem Gewebe elektrischer Energien, wie er an diesem Morgen auf den Luftströmen des Winterhimmels getrieben war. Dann fühlte er ohne Vorwarnung die vertraute Berührung in seinem Geist. Solch ein Glück hatte er nicht zu erhoffen gewagt: Cassandra war selbst in den Verstärkern.
Allart? Bist du es, Liebster?
Erstaunen und Überraschung, die sie den Tränen nahezubringen schienen …Du bist in Tramontana? Du weißt, daß wir hier alle um den alten König trauern?
Allart hatte es gesehen, wenn auch niemand daran gedacht hatte, ihn förmlich davon zu unterrichten.
Allart, ehe du anfängst zu erzählen, was dich nach Tramontana gebracht hat – ich habe …Ich will dich nicht beunruhigen, aber ich habe Angst vor deinem Bruder. Er hat mir einen Höflichkeitsbesuch abgestattet und gesagt, die eingeheirateten Verwandten sollten einander kennen. Und als ich mein Mitgefühl über Cassildes Tod und den Tod seines jungen Sohnes aussprach, redete er von einer vergangenen Zeit, als Brüder und Schwestern alle Frauen gemeinsam hatten und sah mich dabei so merkwürdig an. Ich fragte ihn, was er damit meinte, und er sagte, es würde eine Zeit kommen, in der ich es verstehen würde, aber ich konnte seine Gedanken nicht lesen …
Bis zu diesem Augenblick hatte Allart gehofft, es handele sich um angstgeborene Phantasien. Jetzt wußte er, daß seine Vorausschau richtig war.
Deshalb bin ich hier, Liebste. Du mußt Hali verlassen und zu mir in die Berge kommen.
In dieser Jahreszeit dorthin reiten? In die Hellers?
Er konnte ihre Angst spüren. In Nevarsin ausgebildet, hatte Allart keine Angst vor dem mörderischen Wetter der Hellers, aber er wußte, daß ihre Furcht echt war. Nein. In diesem Augenblick versammelt sich der Kreis, um dich durch die Schirmgitter hierher zu bringen. Du hast doch keine Angst davor, Liebste?
Nein … Aber die ferne Verneinung klang nicht sehr sicher.
Es wird nicht mehr lange dauern. Aber jetzt geh und bitte die anderen, zu kommen.
Ian-Mikhail, jetzt im scharlachroten Gewand eines Bewahrers, trat in die Matrix-Kammer. Hinter ihm konnte Allart das Mädchen Rosaura, dem er vorher schon begegnet war, und ein halbes Dutzend von den anderen sehen. Die weißgekleidete Überwacherin arbeitete mit den Regulatoren und richtete sie auf die Ankunft eines Außenstehenden ein. Sie setzte die Energiesperre in Gang, die es für jeden unmöglich machen würde, körperlich oder geistig in den Raum und die Zeit einzudringen, wo sie arbeiteten. Dann spürte Allart die vertraute Körper-Geist-Berührung und wußte, daß er wegen seiner Teilnahme am Kreis überwacht wurde. Er war ihnen dankbar dafür, daß sie die Anwesenheit jemandes von außerhalb ihres engen Kreises duldeten; aber er wußte nicht, wie er seinen Dank ausdrücken sollte. Doch er war nicht vollständig ein Außenstehender; er hatte sie mehr als einmal bei der Arbeit in den Verstärkernetzen berührt. Er war ihnen
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