Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrin der Stürme

Herrin der Stürme

Titel: Herrin der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
Höhepunkt erreicht, und die Nacht, schätzte er, würde bald hereinbrechen, obwohl es jetzt schon dunkel war; ein undurchdringliches, dichtes Zwielicht, das über die tatsächliche Tageszeit nichts aussagte. Sie besaßen nur noch die Reste ihrer Wegzehrung, die für ein paar spärliche Mahlzeiten ausreichen würde. Die Stürme dauerten manchmal zwei, drei Tage oder sogar noch länger an. Unter normalen Umständen hätte jeder von ihnen auf einige Mahlzeiten verzichten können, aber das würde bei dieser strengen Kälte nicht möglich sein. Sie konnten es wahrscheinlich zwei oder drei Tage aushalten, aber falls der Sturm viel länger dauerte oder die Straßen unpassierbar wurden, standen ihre Chancen sehr schlecht. Wäre Allart allein gewesen, hätte er sich in seinen Umhang gewickelt, einen möglichst gut geschützten Fleck gesucht und sich in Tranceschlaf versenkt. Er hätte seinen Herzschlag verlangsamt, die Körpertemperatur gesenkt und alle Bedürfnisse des Körpers – Nahrung, Schlaf, Wärme – ausgeschaltet. Aber er war für seine Frau und den jungen Donal verantwortlich. Keine außer ihm hatte diese Ausbildung erhalten. Er war der Älteste und Erfahrenste. »Dein Umhang ist der dünnste, Cassandra, und am wenigsten geeignet, uns zu wärmen. Breite ihn auf dem Boden aus, damit er die von der Erde aufsteigende Kälte abhält«, wies er sie an. »Jetzt unsere beiden Umhänge über uns drei! Cassandra ist die Kälte der Berge am wenigsten gewohnt, deshalb werden wir sie zwischen uns nehmen.« Als sie hintereinandersitzend zusammengekauert waren, konnte er fühlen, wie Cassandras Zittern ein wenig abklang.
»Und jetzt«, sagte Allart sanft, »ist es das beste, wenn wir schlafen – falls wir es können. Vor allem verschwendet keine Energie mit Reden.«
Außerhalb ihrer geschützten Stelle heulte der Wind. Der Schnee fiel endlos in weißen Streifen, die sich gegen den schwarzen Nachthimmel abhoben. Innen fuhren nur hin und wieder Windstöße durch die dicht verflochtenen Zweige. Allart ließ sich in eine leichte Trance treiben. Er hielt Cassandra fest umarmt, damit er merkte, falls sie sich bewegte oder irgend etwas brauchte. Schließlich merkte er, daß zumindest Donal schlief. Aber Cassandra blieb wach, obwohl sie ruhig in seinen Armen lag. Es war der heftige Schmerz ihres verletzten Beins, der sie nicht schlafen ließ. Schließlich wandte sie ihm das Gesicht zu. Allart drückte sie fest.
Sie flüsterte: »Allart, werden wir hier sterben?«
Es wäre leicht gewesen, sie zu beruhigen – und falsch. Was auch geschah, zwischen ihnen mußte Aufrichtigkeit herrschen, wie vom Augenblick ihrer ersten Begegnung an. Er tastete in der Dunkelheit nach ihren schlanken Fingern und sagte: »Ich weiß es nicht, Preciosa. Ich hoffe, nicht.«
Sein Laran zeigte ihm nur Dunkelheit. Durch die Berührung ihrer Hände spürte er den sie quälenden Schmerz. Behutsam versuchte Cassandra ihr Gewicht zu verlagern, ohne Donal zu wecken, der sich eng an ihren Körper kauerte. Allart kniete hin und hob sie ein wenig an, um ihre Körperstellung zu verändern. »Ist es jetzt leichter?«
»Ein wenig.« Aber es war nicht viel, was er in ihrem beengten Schutzraum tun konnte. Das war bei all ihrem Unglück das Schlimmste: Selbst wenn das Wetter umschlug, konnten sie jetzt keinen besseren Schutz suchen, denn Cassandra war wahrscheinlich einige Tage lang nicht in der Lage, zu gehen. Könnte man sie pflegen, in ein heißes Bad stecken und von der matrix-geübten Leronis massieren und behandeln lassen, damit die Schwellung und Blutung im Gelenk aufhörte, würde es nicht allzu ernst werden. Aber lange der Kälte ausgesetzt und zur Bewegungslosigkeit verurteilt, war auf eine schnelle Heilung nicht zu hoffen. Selbst unter besseren äußeren Umständen besaß Allart nur wenig Übung in solchen Fertigkeiten. Eine oberflächliche und schnelle erste Hilfe konnte er geben, aber nichts, was kompliziertere Kenntnisse erforderte. »Ich hätte dich in Hali lassen sollen«, flüsterte er. Cassandra berührte in der Dunkelheit sein Gesicht.
»Dort gab es für mich keine Sicherheit, mein Gatte. Nicht solange dein Bruder vor meiner Tür stand.«
»Aber ich habe dich in den sicheren Tod geführt…«
»Es hätte ebensogut meinen Tod bedeuten können, wenn ich dort geblieben wäre«, sagte sie. Verwundert hörte er unter diesen extremen Bedingungen einen Schimmer von Lachen in ihrer Stimme. »Hätte DamonRafael versucht, mich gegen meinen Willen zu nehmen, hätte er

Weitere Kostenlose Bücher