Herrin der Stürme
geheißen habt, Sir. Und zwar nach eigenem Urteil.« Er hoffte, seinen Pflegevater beruhigen zu können, indem er dessen eigene Worte zitierte.
Statt dessen beugte Dom Mikhail sich mit geballten Händen vor und fragte: »Bist du so begierig darauf, alles an meiner Stelle zu beherrschen, Donal? Daß du nicht auf ein Wort von mir warten kannst…« Donal dachte verwirrt: Ist er verrückt? Verliert er den Verstand? Dom Mikhail öffnete den Mund, um fortzufahren, aber die Diener waren schon eingetreten. Sie trugen den edelsteinbesetzten Pokal, der eine reiche Mischung aus Wein und Gewürzen enthielt. Er wurde Dom Mikhail angeboten, der ihn so lange bewegungslos zwischen den Händen hielt, daß Donal zu zittern begann. Schließlich siegte das höfische Benehmen. Dom Mikhail setzte den Pokal an die Lippen, verbeugte sich vor Donal und reichte ihn weiter. Als Donal an der Reihe war, schmeckte er die Mischung kaum, hielt den Pokal aber, damit Dorilys trinken konnte, und reichte ihn an Allart und Cassandra weiter. Die mißlungene Szene hatte die Stimmung noch mehr gedämpft. Nacheinander machten die Gäste den traditionellen Schluck, verbeugten sich dabei vor Dom Mikhail und gingen. Dorilys begann plötzlich laut und kindlich zu weinen. Sie steigerte sich zu einem hysterischen Schreien. Hilflos sagte Dom Mikhail: »Was ist, Dorilys, Kind?« Aber sie schrie noch lauter, als er sie berührte.
Margali kam, um das Kind in ihre Arme zu schließen. »Sie ist erschöpft, kein Wunder. Komm, komm, mein Kleines. Ich bringe dich zu Bett. Komm, mein Liebling, mein Vögelchen, weine nicht mehr«, sagte sie schmeichelnd.
Umringt von Margali, Elisa und der alten Kathya, wurde Dorilys fast aus der Halle getragen. Verlegen zogen sich die wenigen verbliebenen Gäste in ihre Schlaf räume zurück.
Mit zornrotem Kopf packte Donal ein Weinglas, leerte es mit einem einzigen Schluck und füllte es erneut mit zorniger Entschlossenheit. Allart wollte mit ihm reden, seufzte dann und entfernte sich. Es gab nichts, was er jetzt für ihn tun konnte, und wenn Donal beschlossen hatte, sich zu betrinken, war das nur ein passender Abschluß dieses festlichen Fiaskos. Er traf Cassandra an der Tür und ging schweigend mit ihr durch den Flur zu ihren Räumen.
»Ich mache dem Kind keinen Vorwurf«, sagte Cassandra. Unter Schmerzen zog sie sich die Stufen hinauf und hielt sich dabei am Geländer fest. »Es kann nicht leicht sein, all diesen Leuten als Braut vorgeführt zu werden. Jeder gafft und ereifert sich über diese Hochzeit, und dann wird sie ins Kinderzimmer gebracht, als sei nichts geschehen. Welch eine Hochzeit für das Kind! Und welch eine Hochzeitsnacht!« Allart nahm Cassandras Ellbogen, um ihr das Gehen zu erleichtern, und sagte sanft: »Wie ich mich erinnere, Geliebte, hast du deine Hochzeitsnacht allein verbracht.«
»Ja«, sagte sie, wandte ihm den Blick zu und lächelte, »aber mein Bräutigam war auch nicht mit jemandem im Bett, den er lieber mochte. Glaubst du, Dorilys weiß nicht, daß Donal Renatas Bett teilt? Sie ist eifersüchtig.«
Allart meinte spöttisch: »Selbst wenn sie es weiß – kann es ihr in diesem Alter etwas bedeuten? Sie mag eifersüchtig sein, weil Donal sich mehr um Renata als um sie kümmert, aber er ist nur ihr älterer Bruder. Sicher bedeutet es für sie nicht das, was es für dich bedeutet hätte.« »Ich bin nicht so sicher«, gab Cassandra zurück. »Sie ist nicht so jung, wie die meisten Leute glauben. An Jahren gemessen – ja, da ist sie sicher ein Kind. Aber niemand mit ihrer Gabe, niemand mit zwei Toten hinter sich, niemand mit der Ausbildung, die sie von Renata bekommen hat, ist wirklich ein Kind, ganz gleich, wie alt er sein mag. Gnädige Götter«, flüsterte sie, »was für Verwicklungen! Ich kann mir nicht vorstellen, wohin das noch führen soll!«
Allart, der es konnte, wünschte sich, es nicht zu wissen.
Spät in der Nacht wurde Renata in ihrem Einzelzimmer von einem Geräusch an der Tür geweckt. Sofort wußte sie, wer dort war. Sie öffnete die Tür und stand vor Donal, der betrunken schwankte. »In dieser Nacht – ist das klug, Donal?« fragte sie. Aber sie wußte, daß ihn das nicht mehr kümmerte. Sie konnte seine Verzweiflung wie einen körperlichen Schmerz spüren.
»Wenn du mich jetzt fortschickst«, sagte er erregt, »werde ich mich noch vor dem Morgengrauen von den Zinnen stürzen.«
Sie streckte die Arme aus, um ihn leidenschaftlich an sich zu drücken. Dann zog sie ihn hinein und schloß die
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