Herrscher der Eisenzeit
Köcher mit Deckel, die höchstens 25 bis 30 Pfeile mit einer Länge von maximal 60 Zentimetern fassen, was für einen Einsatz im Kampf viel zu wenig wäre. Dazu kommt, dass die in den Gräbern entdeckten Pfeilspitzen, wie es in der Fachsprache heißt, breitschneidend sind und Widerhaken haben. Solche Geschosse wurden durch alle Zeiten hindurch ausschließlich für die Jagd von Wildschweinen und Rotwild verwendet. Und selbst, wenn man das schmückende Beiwerk weglässt und sich auf die Toten selbst beschränkt: Kein Skelett aus den bislang gefundenen Prunkgräbern der Hallstattherren weist darauf hin, dass irgendwelche Verletzungen durch Hieb- und Stichwaffen die Todesursache waren. Auch wenn man unterstellt, dass im Kampf gefallene Krieger mit einem abweichenden Ritus beerdigt wurden (wofür es keine Beweise gibt), so sollten die sterblichen Überreste von hohen Fürsten, die sich ernsthaft an Kampfhandlungen beteiligt und diese überlebt haben, zumindest Spuren von verheilten Wunden aufweisen.
Fazit: Krieg war offenbar kein Mittel, um sich in der Hallstattzeit eine Machtposition und Einfluss zu verschaffen.
Was dann?
Auffallen um wirklich jeden Preis
Die Fürsten der Hallstattzeit sind also keine Krieger im Sinne von waffenschwingenden, wilden Gesellen. Genau genommen ist ihr täglicher Kampf jedoch viel härter als der auf dem Schlachtfeld. Sie stehen unter einem ungeheuren Leistungsdruck. Außer im ständigen Konkurrenzkampf untereinander leben sie in einer sich immer weiter nach oben schraubenden Spirale: Man braucht Wohlstand, um Macht zu erringen, und Macht, um an Wohlstand zu gelangen. Dieser Druck lässt keinen Raum für subtile, dezente Symbolik.
Macht ist ein einfaches System, das ebenso einfachen Regeln folgt. Versetzen wir uns in die Lage eines solchen Fürsten: Ich bin mächtig, wenn ich Menschen von mir abhängig machen kann, die meine Position stärken. Und am besten funktioniert das Erzeugen von Abhängigkeiten nun einmal auf der materiellen Ebene. Auslöser für den Machtgewinn der Hallstattfürsten ist, dass für die Händler aus dem Mittelmeerraum die Landhandelsrouten interessant werden. Für diese ist das nordalpine Europa eine terra incognita , also unbekanntes Land voller Gefahren und Unwägbarkeiten. Allerdings sind die Waren, die sie mit sich führen, die Keramik und vor allem der Wein, in dieser terra incognita der reine Luxus. Luxus, mit dem sichein Hallstattfürst Macht kaufen kann. Als Hallstattfürst muss ich jetzt nur noch dafür sorgen, dass ich in den Augen der Händler als der ideale Partner erscheine, der ihre Sicherheit gewährleisten kann. Da der Sicherheitsaspekt eine wesentliche Rolle spielt, wirke ich mächtig, wenn ich mich mit einer großen Zahl wehrhafter Krieger umgebe. Nun rekrutiere ich als Handelsfürst nicht jeden Krieger einzeln, sondern nutze aus, dass es einige wohlhabende Kriegsherren gibt, die ein eigenes Gefolge aus abhängigen oder freiwilligen Männern haben. Das sind in der Regel seine eigenen Familienmitglieder und die Männer, die auf den weit verstreuten Gehöften leben, die Felder bewirtschaften und das Vieh züchten. Da der Kriegsherr also mit Lebensmitteln versorgt sein dürfte, muss ich ihm etwas anderes bieten, um mich seiner Loyalität zu versichern: Ich lasse ihn an den Luxusartikeln teilhaben, die ich selbst durch den Handel erworben habe.
Ein schönes Beispiel dafür, welche Formen dieses »Teilhabenlassen am Luxus« angenommen hat, ist ein Ritual, welches bis in unsere Tage erhalten geblieben ist. Wein ist durch die gesamte keltische Epoche hindurch nicht einfach nur teuer. Dadurch, dass die Fürsten ihn schlichtweg für sich behalten, bleibt er selbst für den wohlhabenden Kriegsherrn ohne eigene Handelsbeziehungen unerreichbar. Für den Fürsten mit den entsprechenden Mitteln und vor allem guten Handelsverbindungen wird Wein dadurch viel mehr als nur ein berauschendes Getränk zur eigenen Erbauung. Weingenuss ist ein Privileg, das er verteilen kann, an Männer, die ihm nützlich sein können. Und das tut er nicht etwa, in dem er dem einen oder anderen unauffällig eine Amphore zukommen lässt. Nein, das Verteilen von Privilegien will gut inszeniert sein. Diejenigen, die sie erhalten, müssen sich erhöht fühlen, was nur funktioniert, wenn auch diejenigen davon erfahren, die von diesen Privilegien ausgeschlossen sind. Also zelebriert man das Verteilen des Weins als Gelage, als Trinkritual, bei dem die Auserwählten das Privileg direkt aus
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