Herrscher der Eisenzeit
Tür mit einem energischen Krach zu …
Die nächsten drei Stunden kommen Edward wie eine Ewigkeit vor. Er läuft den Gang vor der verschlossenen – vor ihm verschlossenen! – Tür auf und ab. Hin und wieder schnauzt er einen Diener an, der nicht schnell genug aus seinem Blickfeld verschwinden kann, oder brüllt in einem noch nicht fertiggestellten Teil des wehrhaften Gemäuers von Carnarvon Castle, dass ihm der ganze Bau zu lange dauert und er die Baumeister auspeitschen lassen würde, sollten die Arbeiten nicht bald sichtbar vorangehen. Je weiter die Nacht voranschreitet, desto mehr bemühen sich die Menschen in der Festung, dem König aus dem Weg zu gehen.
Dann endlich tönt der erlösende Schrei des Neugeborenen durch die Gänge. Als die oberste Hebamme die Tür öffnet, schlägt diese Edward fast ins Gesicht. Wortlos stürmt er an ihr vorbei auf das Bett zu. Eine der anderen Frauen tritt ihm entgegen, ein kleines schreiendes Bündel auf dem Arm. Sie deutet einen Knicks an und hält ihm das Kind entgegen. »Mein König, Euer Sohn«, sagt sie knapp. Sie weiß, dass das Geschlecht des Kindes alles ist, was den König im Augenblick interessiert.
Der wirkt bereits abwesend, während er – das Kind auf dem Arm – den Gang auf und ab geht. Die Linie ist gesichert, das Königshaus Plantagenet mit zwei Söhnen stabil. Man bedenke nur die Zeichen! Ein Sohn geboren in dem »Land der Fremden«, in dem er als erster aller Herrscher seit den Römern nicht nur militärisch Fuß gefasst hat.
Das Kind auf seinem Arm ist jetzt eingeschlafen. König Edward I. tritt an eines der Fenster. Die ersten grauen Schleier zeigen den Beginn des neuen Tages an. Bald werden die Nebel steigen, und seine Reiter werden wieder ausziehen, um die Letzten zu jagen, die sich ihm verweigern wollen. Und er wird wieder mit seinen Beratern zusammensitzen, um – auf dem Papier vorerst – Pläne für das neue Land zu entwerfen.
Plötzlich fröstelt er. Die Müdigkeit hat auch ihn eingeholt. Er zieht den Mantel fester um sich und das Neugeborene und geht zurück in das Geburtszimmer.
König Edwards zweiter Sohn wird 1284 auf der walisischen Burg Carnarvon geboren. Als 1301 sein erster Sohn stirbt, präsentiert er Engländern und Walisern den nun designierten Thronfolger als »Prince of Wales«. Und diese starke Symbolik überlebt bis in unsere Tage, denn seitdem trägt der älteste lebende Sohn der königlichen Familie und Anwärter auf den englischen Thron diesen Titel.
Land der »Seeräuber« und der »Bemalten«
Geheimnisvolle »Steinmenschen«
Die ersten Spuren menschlicher Besiedlung Schottlands reichen bis ins 8. Jahrtausend v. Chr. zurück. Im 4. Jahrtausend v. Chr. schaffen neusteinzeitliche Gemeinschaften die landwirtschaftlichen Grundlagen für die permanente Besiedlung der kargen Landstriche. Bis zur Bronzezeit öffnen sie sich auch fremden Einflüssen. Es ist eine hoch entwickelte Gesellschaft, die wie in Südengland und Westfrankreich große Bauwerke aus Stein errichtet. Da sie die Kunst der Mumifizierung beherrschen, weicht ihr Begräbnisritual etwas von dem des europäischen Festlands ab. Sie konservieren ihre Toten im Moor und lassen sie für einige Zeit bei sich wohnen, bevor sie sie begraben.
In der späten Bronzezeit enden die Kontakte nach außen abrupt. Die weitere Entwicklung verläuft in relativer Abgeschlossenheit, doch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wurzeln sind gelegt.
Als im ersten Jahrhundert die Römer kommen, wird das, was heute gesamt Schottland umfasst, von 16 Stämmen bewohnt. Als Agricola Ende des ersten Jahrhunderts einen militärischen Vorstoß im Norden wagt, steht ihm eine Allianz einheimischer Stämme unter der Führung der Caledonii gegenüber, woraufhin deren Name zur Pauschalbezeichnung aller Stämme des schwer zugänglichen Hochlands jenseits der Linie zwischen Forth und Clyde wird.
Irgendwann zwischen 100 und 400 n. Chr. werden die Caledonii im Sprachgebrauch zu »Picti«. Dabei ist »Picti« kein Stammesname, sondern heißt übersetzt »die Bemalten«; in deutschen Geschichtsbüchern werden sie Pikten genannt. Tätowierungen sind eine Art permanenter Kampfschmuck aller Krieger, unabhängig von einer Stammeszugehörigkeit. Da sich die Stämme in Zeiten akuter Bedrohung von außen zu einem Kampfverband zusammenschlossen und sich auch Frauen tätowierten, wird der Begriff am Ende pauschal für die gesamte Bevölkerung jenseits des Antoninuswalls verwendet.
Zwischen dem ersten und dem
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