Herrscher der Eisenzeit
weisen. Dieser sei gewaltig in der Achtung des angehenden Weltherrschers gestiegen, als er den leontos wohl mit bloßen Händen besiegt hat. Geschichten dieser Art beeindrucken die Kelten weitaus mehr als der Anblick eines schlagkräftigen feindlichen Heeres in voller Bewaffnung.
280 v. Chr. stirbt der greise Lysimachos. Makedonien ist praktisch führerlos und zerfällt innerhalb weniger Monate in viele einzelne Machtbereiche kleiner Fürstenherrschaften.
Als die Nachricht vom Tod des Lysimachos im Herbst 280 v. Chr. die Kelten erreicht, warten diese nicht einmal mehr bis zur nächsten Feldzugsaison. Brennus teilt das Heer. Er selbst zieht nach Illyrien, seine Mitfeldherren entsendet er nach Thrakien und Makedonien. Der Plan ist, zunächst die Schwäche des makedonischen Einflussbereiches auszunutzen, sich dann wieder zu sammeln und als vereintes Heer dorthin zu ziehen, wo sich den Erzählungen nach die größten Schätze befinden: nach Griechenland.
Die Truppen, die unter einem Kriegsherrn namens Bolgios über Makedonien herfallen, sind ziemlich schnell frustriert. Die Makedonen vermeiden den Kampf gegen die Kelten. Stattdessen zahlen sie ihnen lieber »Friedensgeld«, damit sie nur ja schnell weiterziehen. Als sich ihnen schließlich im Februar 279 v. Chr. der erste Herrscher Makedoniens entgegenstellt, der länger als 90 Tage auf dem Thron ausgeharrt hat, Ptolemaios Keraunos, wird dieser hinweggefegt. Doch die Kelten täuschen sich, wenn sie annehmen, dass ihnen das Land nun völlig ausgeliefert ist. Von ihnen unbemerkt, sammeln die Makedonen unter ihrem fähigsten Feldherrn Sosthenes ihre Kräfte und fügen Bolgios und seinem Heer im Sommer eine empfindliche Niederlage zu. Die Kelten fliehen zurück zu dem Punkt, an dem man sich mit Brennus treffen will. Vom Zeitpunkt der Wiedervereinigung der beiden Heeresteile an verschwindet der Name des Bolgios aus den Erzählungen.
Diesmal warten die Kelten nicht. Kaum dass die Verwundeten halbwegs versorgt sind, stößt das Heer unter Brennus noch einmal nach Makedonien vor und schlägt Sosthenes in einer verlustreichen Schlacht im Spätherbst des Jahres 279 v. Chr.
Brennus gerät allmählich unter Druck. Die Schlachten in Makedonien haben viele Männer gekostet und dabei vergleichsweise wenig Beute gebracht. Die Erwartungen seiner Krieger hat er damit nicht befriedigt. Im Nachsinnen darüber, wie er ihnen mehr bieten kann, fällt ihm nur ein Ort ein, den er in einem überschaubaren Zeitraum erreichen kann: das »wahre« Griechenland, genauer, das Zentralheiligtum aller griechischen Völker, von dem man annahm, dass es eine große Schatzkammer hatte: Die Rede ist von Delphi. Brennus ernennt einen Mann namens Acichorius zu seinem Mitfeldherrn. Dann setzt sich das riesige, mehrere 100
000 Krieger zählende Heer in Bewegung.
Wettlauf mit der Zeit – zum Tor in das »Wahre Griechenland«
Auf ihrem Zug durch Thessalien machen die »Barbaren« ihrem Namen alle Ehre: Sie rauben, morden, plündern und vergewaltigen. Ein gewisser Orestorios scheint sich diesem Ruf besonders verpflichtet zu fühlen. Das wird ihn später für eine ganz besondere Aufgabe qualifizieren.
Die Kelten rücken schnell nach Süden vor. Auf ernsthaften Widerstand stoßen sie dabei nicht. Zwar werden kurz vor ihrer Ankunft die Brücken über den Fluss Spercheios verbrannt, doch die Gallier zwingen kurzerhand die an den Flussufern lebenden Gemeinschaften, die Brücken wieder aufzubauen. Der Zeitverlust ist minimal, allerdings können sie sich große Verzögerungen auch nicht leisten. Eigentlich sind sie viel zu spät aufgebrochen. Das thessalische Flachland haben sie gerade noch durchqueren können, bevor die Flüsse durch die Herbstregen angeschwollen sind. Jetzt droht ihnen der Winter zuvorzukommen.
Ohne Widerstand geht es nach Süden, dem Gold von Delphi entgegen. Die Griechen haben es aufgegeben, sich den Kelten in sinnlosen kleinen Schlachten entgegenzustellen. Die griechischen Stämme haben jedoch auch aufgehört, sich nur als Thessaler, Äoler, Böoter oder Ätoler zu fühlen. So zerrissen Griechenland vor dem Einfall der Kelten auch gewesen sein mag, jetzt geht es um ihr Zentralheiligtum. Vermutlich über einen abgefangenen Kurier erfährt Brennus, dass sich eine Streitmacht aus den verschiedenen griechischen Völkerschaften an dem einzigen Ort sammelt, an dem man glaubt, den Kelten noch einen wirksamen Widerstand entgegensetzen zu können: dem Pass an den Thermopylen.
Das
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