Herrscher der Erde
ich, daß er die Wahrheit sagte, und das machte mich für den Augenblick sprachlos. Ich hatte noch nie zuvor einen Null gesehen. Ich wußte zwar, daß es welche gab – in den Reservaten der Regierung und so –, aber so direkt neben einem zu sitzen, war wieder ganz etwas anderes.
»Das tut mir leid«, sagte ich. »Ich bin ein Pyro.«
Er warf einen Blick auf den Inhalt des Aschenbechers und antwortete: »Ja, ich weiß.«
»Für Pyros sind heutzutage nicht viele Posten zu haben«, sagte ich. »Es ist mein einziges Talent.« Ich sah ihn an. Er war hübsch, auch wenn er ein Null war. »Was hast du getan?« fragte ich.
»Ich bin ausgerissen«, antwortete er. »Ich bin ein Flüchtling aus dem Sonoma-Reservat.«
Das kitzelte meine Nerven. Nicht nur ein Null, sondern auch ein Flüchtling. Genau wie im Kino. Ich fragte: »Willst du dich bei mir verstecken?«
Darauf reagierte er endlich. Er betrachtete mich und errötete sogar! Ich hatte noch nie zuvor einen Mann erröten sehen.
»Man könnte auf falsche Gedanken kommen, wenn ich erwischt werde«, meinte er. »Und man erwischt mich immer.«
Ich begann mir in meiner Rolle als Dame von Welt zu gefallen und fragte: »Warum nützt du dann nicht deine momentane Freiheit?« Ich ließ ihn ein wenig mehr durch den Schlitz in meinem Rock sehen, und er wandte sich tatsächlich ab. Kaum zu glauben!
Da kam die Polizei. Sie machten nicht viel Aufhebens. Ich hatte sie an der Tür stehen sehen, aber angenommen, daß sie mich beobachteten. Sie durchquerten den Raum, und einer von ihnen beugte sich über meinen Nachbarn. »Na, Claude«, sagte er, »komm schön mit.«
Der andere nahm mich am Arm und sagte: »Und du folgst uns ebenfalls, Schwester.«
Ich riß mich los und protestierte: »Ich bin nicht Ihre Schwester!«
»Laßt sie doch zufrieden, Männer«, meinte dieser Claude. »Ich habe ihr nichts erzählt. Sie wollte mich nur aufgabeln.«
»Tut mir leid«, sagte der Polizist. »Sie kommt auch mit.«
Da bekam ich Angst. »Paßt auf«, sagte ich, »ich weiß nicht einmal, worum es sich handelt.«
Der Mann zeigte mir die Mündung einer Nadelpistole. »Reg dich nicht auf, Schwester, und komm schön mit uns, sonst muß ich das hier anwenden.«
Wer will schon schlafen? So fügte ich mich also und hoffte, meinem Vater oder sonstwem zu begegnen, dem ich die Sache erklären konnte. Hatte aber kein Glück damit.
Die Polizisten hatten einen gewöhnlichen, alten Turbojeep draußen, der von einer Menschenmenge bestaunt wurde. Ein Porter vergnügte sich damit, das Heck des Jeeps zu schaukeln. Er hatte die Hände in den Taschen und grinste.
Der Polizist, der mit uns gesprochen hatte, sah den Porter einfach an, und der Kerl verlor sein Grinsen und eilte davon. Da wußte ich, daß der Polizist ein Tele war, obwohl er meine Gedanken nicht berührt hatte. Einige Teles nehmen es mit ihrem ethischen Kodex sehr genau.
Es machte Spaß, in dem alten Turbojeep zu fliegen. Gewöhnlich, wenn ich irgendwohin kommen wollte, fragte ich höflich, ob sich in der Nähe ein Porter befände. Dann dachte ich an den gewünschten Ort, und der Porter brachte mich im Bruchteil einer Sekunde dorthin.
Natürlich fand ich mich hin und wieder in der Wohnung irgendeines alten Knackers. Einige Porter tun so was gegen Entschädigung, aber ein Pyro braucht sich vor Möchtegern-Casanovas nicht zu fürchten. Mit brennenden Kleidern kommt man rasch auf andere Gedanken.
Schließlich landete der Turbojeep auf dem Grundstück eines alten Spitals in einem Wald am Stadtrand, und die Polizisten führten uns in ein kleines Büro im Hauptgebäude. Darin war es ziemlich dunkel, und erst als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, sah ich den alten Kauz hinter dem Schreibtisch. Ich hielt die Luft an. Es war Mensor Williams. Richtig. Der Große Alles. Was auch immer jemand konnte, so konnte er es besser.
Jemand drehte die Lampen heller. »Guten Abend, Miß Carlysle«, sagte er mit wackelndem Spitzbart.
Ehe ich noch den Kodex gegen das Gedankenlesen ins Gefecht werfen konnte, fuhr er fort: »Ich lese nicht Ihre Gedanken, sondern habe lediglich in die Zukunft gesehen und so Ihren Namen erfahren.« Und zu den Polizisten sagte er: »Es bestand wirklich keine Notwendigkeit, sie mitzunehmen. Aber es mußte so geschehen.« Und dann tat er etwas Merkwürdiges. Er wandte sich an Claude und wies mit dem Kopf auf mich. »Was hältst du von ihr, Claude?« fragte er. Als wäre ich eine Ware in einem Verkaufsstand!
Claude stellte eine
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