Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Spitze durch Leder, Stoff und Haut tief in seine Schulter bohrte, ehe sie von einem Knochen aufgehalten wurde. Der Schlag warf ihn mitten im Ritt nach hinten. In einer Mischung aus Schmerz, Überraschung und Schock verlor er die Zügel und schwankte im Sattel.
    Roselynne wagte keinen Blick zurückzuwerfen, um den Schaden zu besehen. Sie trieb den Zelter an die Grenzen seiner Kraft, den Waldrand entlang, in einem Wahnsinnsritt quer über die Felder. Dort hinten, in Richtung Norden, lag Winchester, die Stadt, die Burg, die Sicherheit.
    Instinktiv wusste sie, dass es dicker Mauern und verschlossener Pforten bedurfte, um sie vor dem gewaltigen Schotten und seinen unerwünschten Aufmerksamkeiten wirksam zu schützen.

2. Kapitel
    Schaum stand vor dem Maul des Pferdes, das unverhofft durch das Gestrüpp am Straßenrand brach, als hätte es ein Katapult mitten unter die Reisegruppe geschleudert. In einem Chaos aus bockenden hysterischen Rössern, kreischenden Packeseln, wütenden Stimmen und aufsteigenden Staubwolken dauerte es einige Zeit, bis sich die befehlsgewohnte, eisige Stimme eines Mannes über den infernalischen Aufruhr hinweg setzte. Eine Stimme wie Eis, die sich in makellosem, höfischem Französisch mitten auf einer englischen Landstraße über die Sitten einer barbarischen Insel ausließ und in gewohnter Autorität augenblicklich wieder für Ordnung sorgte.
    Eine Stimme, die mühelos auch die Panik durchdrang, welche Roselynne de Cambremer in diesen tollkühnen Ritt getrieben hatte. Sie spürte die zitternden Flanken des erschöpften Zelters unter sich und die Hand, die gebieterisch in das Zaumzeug griff und ihn gewaltsam in den Stand zwang.
    Der plötzliche Ruck brachte sie freilich um ihren letzten Halt. Sie verlor den Tritt am Sattel, geriet ins Rutschen und schwebte einen winzigen Herzschlag lang hilflos zwischen Himmel und Erde. Dann krachte sie so erbarmungslos in den Staub der Landstraße, dass es ihr den Atem nahm und sie für einen Moment das Bewusstsein verlor. Als ihr Wahrnehmungsvermögen wieder einsetzte, vernahm sie als Erstes einen beißenden Kommentar, der sie selbst betraf.
    »Gott bewahre mich, eine aufgelöste sächsische Amazone! Auch das noch. Haltet die Pferde zurück, ihr Tölpel. Tragt sie zur Seite! Nein, lass mich das machen, das ist eine Frau und kein Sack Hafer, Bursche. Eine Dame, wenn man das Gewand und das Pferd zum Anhaltspunkt nehmen kann. Leg meinen Umhang dort auf das Gras, für die Lady, nun mach schon.«
    Roselynne spürte einen energischen Griff um Schultern und Oberschenkel und letztendlich weichen Untergrund. Jemand machte sich an ihren Haaren zu schaffen, die ein seidiges Gespinst aus wirren Strähnen bildeten, das ihr Haupt mit seinem schieren Gewicht nach hinten zog.
    »Hier, trinkt, Lady! Ihr seht aus, als könntet Ihr eine Stärkung gebrauchen. Was, um Himmels willen, hat diesen dummen Gaul so erschreckt, dass er mit Euch durchgegangen ist?«
    Ein Weinschlauch wurde an ihre Lippen geführt. Roselynne schmeckte die leichte Säure eines kühlen Weißweins und schluckte zu hastig. Sie musste husten und ein Teil des Trunks landete auf ihrem Kleid und dem Mantel des Mannes, der sie mit seinem linken Arm stützte, während die Rechte ihr zu trinken gab.
    »Schscht, nicht so hastig!«
    Der Ermahnung folgten ein paar sachte Schläge zwischen ihre Schulterblätter und ein tadelndes Zungeschnalzen, das Roselynne an die Ermahnungen ihrer Kinderfrau erinnerte. Allein, die Gestalt und Erscheinung des Seigneurs, den sie jetzt endlich genauer betrachten konnte, hatten nichts mit der stämmigen Sächsin zu tun, die in Hawkstone über die ausgelassene Nachkommenschaft der Lady des Rosenturms regiert hatte.
    Ihre Lippen formten ein stummes, fassungsloses »Oh!«, während ihre Augen fasziniert über das Antlitz des Ritters glitten. Sowohl die edlen Züge wie die straff gespannte, helle Haut und das goldene, in der Sonne funkelnde Haar waren für sich gesehen ein Meisterwerk der Natur. Gemeinsam formten diese jedoch das männlich edle Angesicht eines Ritters, dessen Schönheit ein fast übernatürliches Maß an Perfektion aufwies.
    Es waren nobel strukturierte, maskuline Züge, mit Augen, deren Blau mit dem Kobalt des Himmels wetteiferte, und vollendet geschwungenen Lippen. Er glich einem lebendig gewordenen Erzengel oder einer jener marmornen Götterstatuen, die in Hawkstone davon kündeten, dass der weitläufige Landsitz seine Entstehung den römischen Besatzern und ihren

Weitere Kostenlose Bücher