HERZ HINTER DORNEN
gar nicht dazu, sich über die wilde Tollheit zu wundem, mit der Roselynne seiner eher hastigen denn raffinierten Verführung nachgab. Er stand unter so gewaltiger Anspannung, dass er seinerseits blindlings und ohne große Finessen auf sein Ziel zusteuerte. Er wollte sich in ihr verströmen und fühlen, wie der widerspenstige Geist und der allzu sinnliche Körper in seinen Händen nachgaben. Nur in diesem erstrebenswerten Augenblick konnte er sicher sein, dass sie ihm gehörte und keinem anderen.
Ein winziger Seufzer zwischen Schluchzen und Stöhnen entfloh ihrer Kehle, als seine stürmischen Finger sie wieder verließen, ohne dass sie ihr nachhaltige Erlösung geschenkt hätten. Doch ehe sie von neuem Atem geschöpft hatte, wurden sie durch seine Männlichkeit ersetzt, die tief und stark in sie eindrang. Roselynne hob sich dem Stoß entgegen, umfasste ihn mit der Macht ihrer Weiblichkeit und schlang ihre Beine um ihn.
Ein Schauer der Lust begleitete diese Bewegungen, und sie hätte ihm gern gesagt, wie unendlich glücklich er sie machte. Aber nicht einmal jetzt wagte sie den stummen Bann zu brechen, dem sie sich beide unterworfen hatten. Sie atmete in kurzen, abgehackten Zügen, und der stürmische Rhythmus seiner immer wilder werdenden Stöße fachte ein Feuer in ihrem Körper an, das sich auf seinem Höhepunkt in einem wahren Funkenregen entlud, der alle ihre Sinne aufpeitschte.
Hitze raste durch ihre Adern, und während ihr Körper von ihm überschwemmt wurde und Justin mit einem Schluchzen auf sie niedersank, erbebte Roselynne unter einer so tiefen Erschütterung, dass sie für kurze Zeit Atem und Bewusstsein verlor.
Als sie wieder zu sich kam, benötigte sie einen Moment, um zu begreifen. Sie lag auf dem Boden, fühlte sich steif, kalt und einsam. Die schemenhafte Gestalt, die neben ihr auf ragte und an ihren Kleidern nestelte, machte keine Anstalten, ihr aufzuhelfen. Sie kam aus eigener Kraft fröstelnd auf die Knie und zog das Mieder hoch. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie es aufgab, die Schnüre zu binden. Mit einem Mal war das Schweigen wieder bedrückend.
Sie stemmte sich gegen die feuchten Mauerquadern, um sich aufrecht zu halten. Ihre Beine zitterten, und sie hätte alles für ein feuchtes Tuch gegeben, um sich reinigen zu können. Warum sagte er nichts? Die bange Erkenntnis, dass sie sich einmal mehr Illusionen über die Folgen dieser leidenschaftlichen Vereinigung gemacht hatte, ließ sie erschauern. Dass sie auf solche Weise Macht über ihn gewinnen könnte, war nicht mehr als der kindische Traum eines närrischen Mädchens. Ein Laut zwischen Stöhnen und Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.
Der Laut brachte endlich Leben in den Ritter. Er trat zurück, brachte unüberwindbaren Abstand zwischen sich und sie.
»Beschwert Euch nicht! Ich habe Euch gewarnt«, fuhr er sie an, noch bevor sie eine Silbe gesagt hatte.
Roselynne gelang ein müdes Lächeln. »Ihr hättet mich nicht warnen, sondern töten sollen«, murmelte sie dumpf. »Ihr verwendet die verheerende Macht, die Ihr über mich besitzt, nicht wie ein Mann von Ehre, Seigneur!«
Der Normanne schnaubte betont niederträchtig. »Nur eine ehrbare Dame hat das Recht auf den Respekt eines Mannes. Ihr geht mit Eurer Gunst so freigiebig um, Roselynne de Cambremer, dass Ihr Euch nicht wundern müsst, dass die Männer den schalen Geschmack vielfach gebrauchter Ware an Euch spüren.«
Die gemeine Rücksichtslosigkeit, mit der er ihr die Frauenehre raubte, schmerzte ebenso wie die Erkenntnis, dass er im Grunde nur logisch reagierte. Was hatte sie erwartet? Nachdem er es nicht fertig brachte, ihr zu vertrauen, urteilte er nach dem, was er gesehen hatte, und das war in seinen Augen schlicht Lüge und Verrat.
»Die Männer«, wiederholte sie bitter. »Wer gibt Euch das Recht, so bösartig über meine Gunst zu spotten? Ihr seid der erste Mann gewesen, mit dem ich das Lager geteilt habe, das wisst Ihr sehr wohl.«
»Ein Lager, das Ihr am nächsten Morgen nicht schnell genug verlassen konntet, werte Dame«, erinnerte er in bewusster Grausamkeit. »Die Angelegenheit war Euch nicht einmal ein Abschiedswort wert.«
»Macht Ihr mir zum Vorwurf, dass mich der Schotte gewaltsam entführt hat?« Roselynnes Stolz bäumte sich gegen seine ungerechten Vorhaltungen auf.
»Ich klage Euch an, dass Ihr ein unstetes Herz und einen wetterwendischen Charakter besitzt, Mylady«, entgegnete er rüde. »Und mir selbst werfe ich vor, dass ich darauf hereingefallen
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