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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ein paar Tagen das höfische Leben mied und sich in seine Gemächer zurückgezogen hatte. Sie wollte ihm nicht begegnen, und sie hoffte inständig, dass ihn der Pfeil von jeder Neigung für sie kuriert hatte.
    Dennoch achtete Roselynne darauf, sich stets im Kreise der anderen Hofdamen zu bewegen und niemals ohne Begleitung unterwegs zu sein. Nicht einmal ein Barbar würde es wagen, sie gewaltsam von der Seite der Prinzessin zu zerren. Dass sie trotzdem ständig den Eindruck hatte, beobachtet zu werden, führte sie auf den Schock dieses Erlebnisses zurück. Sicher würde sie sich ruhiger fühlen, wenn die Gesandtschaft der Schotten endlich in ihre Heimat aufbrach. Man sprach davon, dass dies bald der Fall sein würde.
    Auch jetzt, inmitten ihrer Gefährtinnen und während der Morgenandacht des Hofes, konnte sie nicht zu ihrer gewohnten Ruhe zurückfinden. Wenn sie ehrlich mit sich selbst war, besorgte sie indes heute weniger die rücksichtslose Begierde des Mannes aus dem Norden als die Gegenwart eines anderen. So sehr sie sich auch bemühte, den allzu schönen normannischen Edelmann aus ihrem Bewusstsein zu verbannen, die Umstände ließen es nicht zu.
    Der König lastete dem Boten des Herzogs von Anjou nicht die Fehler seines Bruders an. Im Gegenteil, er hatte den blonden Edelmann in spontaner Freundschaft im Kreise seiner engsten Gefährten willkommen geheißen. Schon nach wenigen Tagen schien es, als könnte Rufus keinen Schritt ohne den Seigneur von Luthais mehr tun.
    Rufus mochte gnadenlos ehrlich, schroff, rücksichtslos, jähzornig und ebenso machthungrig wie sein Vater sein, aber er hatte eine allzu menschliche Schwäche: Es gefiel ihm, sich mit gut aussehenden jungen Männern zu umgeben. Seine Knappen, Diener, Gefährten und Kampfgenossen schienen geradewegs von den hoch gewachsenen blonden Nordmännern abzustammen, welche die Küsten Englands und Frankreichs erobert hatten.
    Der Seigneur de Luthais hatte von der ersten Reverenz an das nach Schönheit hungernde Auge des Monarchen gefesselt. In seiner unnachahmlichen Mischung aus Eleganz, Arroganz und vollendeten Manieren, war er quasi über Nacht zum neuen Stern des Hofes von Winchester aufgestiegen. Ein Mann von geschliffener Bildung, spöttischem Intellekt und so viriler, charmanter Anziehungskraft, dass ihn die englischen Ratgeber und Freunde des Königs auf Anhieb ebenso verabscheuten wie Rufus ihn schätzte.
    Die Damen des Hofes waren auf Seiten des Königs. Sie umschwärmten den schlanken Normannen, der sich diese Aufmerksamkeit in einer Mischung aus Überheblichkeit und Zuvorkommenheit gefallen ließ. Sie buhlten um seine Komplimente und überschlugen sich im gegenseitigen Bemühen, ihn von der Schönheit der englischen Damen zu überzeugen.
    Roselynne hielt sich betont im Hintergrund, aber sie konnte nicht umhin, über jeden Schritt von ihm informiert zu sein. Margaret de Lacey und all die anderen kannten kein anderes Thema mehr. Dabei hatte Roselynne ihren Klatsch gar nicht nötig, um alles über ihn zu wissen. Zu ihrer hilflosen Verblüffung hatte sie festgestellt, dass sie auf rätselhafte Weise mit ihm verbunden war.
    Auch jetzt musste sie nicht einmal zur Seite sehen, um zu wissen, dass er sich mit ihr in einem Raum befand. Jeder winzige Nerv unter ihrer Haut empfing die Signale seiner Anwesenheit. Es zog sie so unwiderstehlich zu ihm hin, dass es ihr Nachts den Schlaf raubte und sie des Tags gereizt und ungeduldig machte.
    Anfangs hatte sie geglaubt, die gespenstische Ähnlichkeit mit Justin d'Amonceux wäre der Grund dafür, aber inzwischen war sie sich nicht mehr sicher. Je öfter sie Loup de Luthais beobachtete, umso schwächer wurde die schwärmerische Erinnerung an den Ritter, der sie für alle anderen Männer verdorben hatte. Zumindest hatte sie das bisher gedacht.
    Der normannische Seigneur hingegen duldete keine fremden Träume neben sich. Der kristallklare Schimmer seines Blickes brannte neue Spuren in Roselynnes empfindsame Seele und tilgte die alten Runen. Sie spürte es, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte und sich dagegen wehrte. Kein zweites Mal! Nie wieder!
    Jeden Morgen schwor sie sich aufs Neue, sich nicht um seine Anwesenheit zu kümmern, und jeden Abend musste sie sich ihr Scheitern eingestehen. Ungerührt von der Bewunderung, der Kritik und dem Neid, den er hervorrief, ging er durch die Tage. Er amüsierte den schroffen und ungeduldigen Monarchen mit seinen spöttischen Bemerkungen, war ihm in allen sportlichen Übungen

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