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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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unerwarteten Ehre, Sire!«, murmelte er an den König gewandt und nutzte die Worte, um endlich den Atem auszustoßen, den er seit geraumer Zeit angehalten hatte, ohne dass es ihm selbst zu Bewusstsein gekommen wäre. »Erlaubt, dass ich Euch zur Tafel führe, Dame Roselynne!«
    Er sah, wie die Blässe auf ihren Wangen feiner Röte wich, als er auf der Bank neben ihr Platz nahm und sie in einer Mischung aus unterdrücktem Zorn und aufflammender Erregung ansah. Der zarte Frühlingsduft ihrer Person setzte sich mühelos über die Wärme des Festsaals und den Dunst der zahllosen anderen Körper hinweg. Er trieb ihm das Blut schneller durch die Adern, und am liebsten hätte er das Band seines Wamses gelockert und mehr Abstand von ihr gehalten.
    Allein, an der königlichen Tafel wurde mit jeder Handbreit Raum gegeizt, damit alle Ehrengäste Platz fanden. Sie mussten so eng nebeneinander sitzen, dass die Säume ihres Gewandes seine Schuhe bedeckten und ihre Oberschenkel unter der bestickten Seide bei jeder Bewegung viel versprechend die seinen berührten.
    »Ich weiß nicht, wie ich zu der unverhofften Ehre komme, werte Dame«, knurrte er. »Es lag nicht in meiner Absicht, Euch noch einmal meine Gegenwart aufzuzwingen.«
    »Ich habe den König darum gebeten«, sagte Roselynne in entwaffnender Ehrlichkeit und mit einem so unschuldigen Augenaufschlag, dass ihm die Worte fehlten. »Er ist mir verbunden, und hin und wieder erfüllt er mir aus Zuneigung zu meinem Vater kleine Wünsche. Findet Ihr nicht auch, dass wir miteinander reden sollten?«
    Justin d'Amonceux, der stolze normannische Graf, biss die makellosen weißen Zähne zusammen. Der kleine Wunsch einer einflussreichen Dame zu sein gefiel ihm nicht. Wofür hielt sie ihn? Für eine Art Schoßhündchen? Welches Spiel wollte sie mit ihm wagen?
    Dann jedoch gelang es ihm mit der Übung langer Jahre, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen und eine Miene unveränderlicher Gelassenheit zu zeigen, die ebenso attraktiv wie geheimnisvoll wirkte.
    »Ich bin Euer Diener«, entgegnete er in hartnäckiger Wohlerzogenheit und hol? ihr den juwelenverzierten Pokal entgegen, den ein Page soeben mit Wein gefüllt hatte. »Auf Euer Wohl und Eure Gesundheit, Dame Roselynne!«
    Ihr Diener? Roselynne sah ihn unter dem Fächer ihrer dichten Wimpern an. Er war alles andere als ein gehorsamer Lakai. Er hasste es, manipuliert zu werden, und hätte er nicht den Unwillen des Königs gefürchtet, säße sie schon längst allein an dieser Tafel. Sie nippte vorsichtig am Wein und reichte das schwere Trinkgefäß mit beiden Händen an ihn zurück. »Auf ein schönes Fest, Seigneur!«
    Die Bewegung presste ihre Brüste noch eine Spur herausfordernder gegen den Rand des Ausschnitts und die ungewöhnliche Silberschließe. Seidig glänzendes, festes Fleisch, an dessen unverwechselbare Beschaffenheit er sich in plötzlicher Hitze entsann. Justin d'Amonceux stürzte den Burgunder des Königs in unziemlicher Hast hinunter.
    Roselynne bemerkte die Spannung, die sich unaufhaltsam zwischen ihnen aufbaute, ebenso sehr wie sein Bemühen, sie zu leugnen. Er wappnete sich mit makelloser Höflichkeit und eisig überheblicher Distanz. Ein Holzklotz zeigte nicht mehr Gefühle als dieser Kerl! Wie konnte er es wagen, sie wie eine Fremde zu behandeln? Er hatte sie geküsst, gestreichelt, berührt! Woher nahm er die Stirn, so zu tun, als wäre nichts vorgefallen?
    Der Ritter seinerseits hatte alle Mühe, nicht wie ein behexter Dorftölpel auf die alabasterfarbenen Wölbungen ihres Busens zu starren. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen und schmeckte weder die schwere Süße des Weines noch die Köstlichkeiten der königlichen Tafel. Dafür empfand er die Anwesenheit seiner Tischgenossin wie eine berauschende Droge. Ihre Stimme, ihr Duft und ihre Gegenwart umschmeichelten seine Sinne auf eine Weise, die ihn am eigenen Verstand zweifeln ließ.
    Was war so Besonderes an der Anmut, mit der sie ihre Fingerspitzen in das Rosenwasser tauchte, das ihr ein Page hinhielt, und sie danach an einem makellosen Leinentuch trocknete? Auch andere Damen des Adels handhabten das kleine silberne Messer, mit dem sie das Fleisch schnitten, voller Eleganz und vermieden es, die tropfende Soße überall zu verteilen. Aber wenn er aus den Augenwinkeln verfolgte, wie sie die Bissen zum Munde führte und mit einer winzig rosigen Zungenspitze die schönen Lippen säuberte, vergaß er selbst zu kauen.
    Niemand, nicht einmal ihre wahrhaft

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