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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ahnungslos mit einem Pfeil ins Schwarze getroffen hatte. Die Frage war nur: mit welchem? Was hatte sie gesagt, um ihn so zu erschrecken?
    Er verriet sich mit keiner Silbe. Er senkte lediglich in vollendeter Komödie das Haupt und die Kerzen entzündeten goldene Reflexe in den dichten honigfarbenen Haaren. Ein Blick, kühl wie das gefrorene Wasser des Winters, glitt über sie hinweg, gefolgt von einem Lächeln, so unschuldig heiter, dass sie es jederzeit für echt gehalten hätte, wäre es ihr nicht gegeben gewesen, den heißen Zorn unter dieser strahlenden Fassade zu erspüren.
    »Schönste Dame, Ihr seht mich untröstlich zerknirscht. Was soll ich tun, um Euch zu versöhnen? Mich unter das Futter jenes Zotteltiers dort legen und meine Seele dem Himmel befehlen?«
    Seine Kinnbewegung deutete auf den dressierten Bären, der zusammen mit den Gauklern die geschmückte Halle betreten hatte, um die Gäste des Königs zu unterhalten. Es war ein räudiges, krankes Tier, dessen Sehnsucht nach Ruhe und Tod Roselynne ebenso spürte wie den angespannten Geist des Edelmannes, der nur mit ihr tändelte, um sie von einer Spur abzulenken. Aber genau das machte sie umso neugieriger.
    Es lag ihr auf der Zunge zu antworten: >Ihr könntet mir verraten, weshalb Ihr Euch unter fremdem Namen unter die Gefährten des Königs gemischt habt!< Aber das ging natürlich nicht an. So beschränkte sie sich lediglich darauf, das Lächeln zu erwidern, während sie im Moment scheinbar ganz vertieft darin war, aus einer Schale mit gezuckerten Mandeln die appetitlichste auszuwählen.
    Der Seigneur ertappte sich schon wieder beim Zähneknirschen, als sie das Naschwerk zwischen die roten Lippen schob und sich danach auch noch hingebungsvoll die Fingerspitzen ableckte. Auf der hastigen Suche nach vorübergehender Ablenkung kreuzte sein Blick erneut jenen des schottischen Grafen.
    Der König hatte Robert Duncan zwar den Ehrenplatz auf der Empore verweigert, aber er saß als Erster an der rechten Längsseite der Tafel. Umgeben von seinen schottischen Gefährten, lockerte kein einziges Frauengewand die beunruhigende Männergruppe auf. Es waren bärtige, finstere Gestalten, die mit gefährlich aussehenden Dolchen ihr Fleisch teilten und das frische Ale dem französischen Wein vorzogen. Die düsteren Augen des Grafen glitten über die hohe Tafel, und wie es aussah, blieben auch sie an Roselynne de Cambremer hängen.
    Ich kann es dir nicht nachtragen, mein schottischer Kamerad, teilte der Seigneur de Luthais in Gedanken diese Aufmerksamkeit. Es ist etwas Besonderes an der jungen Dame. Ein Geheimnis, das sie von der übrigen Heerschar hübscher Edeldamen unterscheidet. Das Mädchen mit den schwarzen Seidenhaaren besaß jene unerklärliche Ausstrahlung, die Männer anzog wie das Licht der Kerzen die Insekten eines Sommerabends.
    Im nächsten Augenblick verschwand das Bild des Schotten jedoch hinter einer Gruppe wagemutiger Akrobaten, die, einer auf den Schultern des anderen stehend, eine menschliche Pyramide formten und den jubelnden Beifall der Festgesellschaft einheimsten. Münzen flogen in das Stroh, das den Boden bedeckte, und die Gaukler und Musikanten versuchten ihrer habhaft zu werden, ohne die Vorstellung zu unterbrechen.
    Auch Roselynne warf eine großzügige Hand voll Pennies in das Halbrund, aber sie achtete darauf, dass sie in die Richtung des Bärenführers flogen. Vielleicht bekam das arme Tier ja wenigstens etwas mehr Futter ab. Ihr Tischgefährte sah die Geste und deutete sie überraschend richtig.
    »Es gefällt Euch nicht, wenn Tiere dressiert und angekettet werden«, sagte er leise, während der Jubel um sie aufbrandete.
    Roselynne hob das Kinn im Bewusstsein, sich einmal mehr verteidigen zu müssen. Die wenigsten Menschen in ihrer Umgebung verstanden, dass sie Tiere für schätzenswerte Lebewesen hielt.
    »Ist es nicht traurig, dass ein so mächtiges und stolzes Tier gebrochen und zur Schau gestellt wird?«, sagte sie eindringlich. »Ginge es nach mir, ich würde keine Pennies, sondern einen Dolch schleudern. Man sollte den Ärmsten von seiner Qual erlösen. Die Menschen haben kein Recht, ihn zu ihrem Vergnügen zu peinigen.«
    »Besser, Ihr unterlasst das mit dem Dolch. Ihr würdet vielleicht den Grafen von Duncan treffen und unübersehbare diplomatische Schwierigkeiten für uns alle heraufbeschwören. Dem König liegt viel daran, mit den Schotten in Frieden zu leben.«
    »Daran liegt jedem vernünftigen Menschen«, bestätigte Roselynne,

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