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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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die sie beide aneinander band, verlieh dem sinnlichen Spiel von Hingabe und Lust einen jähen, tiefen Ernst. Beide waren sie sich der Tatsache bewusst, dass es für sie keine Zukunft geben würde, nur die Stunden, die noch vor ihnen lagen. Stunden, die zu kurz erschienen, um das heiße Feuer des Verlangens einzudämmen.
    Es war diese Erkenntnis, die Roselynne dazu brachte, jeden Zweifel, jede Scheu und jede angeborene Scham zu vergessen. Sie würde ein Leben lang Zeit haben, ihre Fehler zu bereuen und ihre Sünden zu beichten. Aber nicht diese Nacht!
    Der normannische Edelmann hätte die Aufforderung eigentlich nicht nötig gehabt. Längst in heißer Begierde entflammt, streckte er die Hand aus und umfing die bezaubernden Brüste. Er spürte, wie sich die prallen Spitzen gegen seine Handflächen drückten, und hörte das leise gehauchte, sehnsuchtsvolle »O, Justin!«, mit dem sie seufzend darauf reagierte, dass er die rosenfarbenen Perlen sacht zwischen Daumen und Zeigefinger rollte, bis sie marmorhart erstarrten.
    Sein Name, ohnehin selten ausgesprochen, berührte ihn mehr als ein Kuss. Die einzige Person, die ihn so genannt hatte, war längst tot. Sein Vater hatte ihn Sohn genannt, und die wenigen Freunde, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hatte, sagten d'Amonceux, der Rest Graf, Seigneur oder Ritter. Sogar die Frauen, die er in sporadischen Abständen mit seiner Gunst beglückte, hatten nie gewagt, die unsichtbare Grenze zu überschreiten, die seine kühle Distanz um die eigene Person zog. Die Vertraulichkeit des alten Kindernamens aus dem Munde dieses leidenschaftlichen Geschöpfes zu hören war seltsam anrührend.
    Im Verein mit der Verlockung ihrer zärtlichen Hände schuf Roselynne ein Netz aus Wärme und Freude um diesen nächtlichen Alkoven. Etwas, das ihn berührte und wärmte, das an Sommerwiesen und friedliche Tage erinnerte und das dem Glück so nahe kam, wie er es seit vielen Jahren nicht mehr gespürt hatte.
    Roselynne stockte der Atem, als sie fühlte, dass er neuerlich hart und heiß in sie drang. Ein paar Herzschläge lang fühlte sie das Brennen der frischen Wunde, die er ihr zugefügt hatte, dann jedoch trug sie die tiefe, innige Verbindung über so simple Dinge wie bloßen Schmerz hinaus. Die Flut staute sich mit einer dunklen, heißen Macht, die sie mit ihm in einen sinnlichen Orkan riss, in dem die Leidenschaft sich wie ein glühender Flammenspeer entlud. Ein Blitz, der sie aus der Welt entführte und sie zurückwarf auf reines Fühlen. Sie zerfiel in winzige Sternensplitter, die durch die Nacht davon segelten, nur gehalten von der Kraft der Seele, die sich mit ihr vereint hatte. Es war schöner als alles, was sie je gefühlt hatte. Es war Tod und ewige Seligkeit zugleich.

10. Kapitel
    Der graue Morgen kroch durch die halb geschlossenen Läden des luxuriösen Gemachs und erreichte schließlich den zerwühlten Alkoven. Kühle Luft strich über den nur halb bedeckten Körper zwischen den Laken und weckte mit ihrem frostigen Biss den Mann, der im ersten Moment nicht sagen konnte, wo er sich befand und wie er hierher gekommen war.
    Stöhnend strich sich Justin d'Amonceux mit den Fingerspitzen über die Stirn. Es war nicht die taube Mattigkeit von zu viel Wein und schlechter Unterhaltung, die ihn noch umfangen hielt, sondern eine ungewohnte Kraftlosigkeit aller Sinne. Die Bewegung brachte ihm jedoch schlagartig zu Bewusstsein, dass er keinen Faden am Leib trug. Die eine Erkenntnis führte zur nächsten. Die vergangenen Stunden waren die lustvollsten und erschöpfendsten seines Lebens gewesen.
    Gütiger Himmel, der Morgen dämmerte bereits, und das, was er da hörte, waren unzweifelhaft die Morgenglocken der Kirchen und Kapellen von Winchester! Er musste fort! Wenn man ihn in Roselynnes Gemach entdeckte, gab es einen Skandal erster Güte. Wo waren nur seine Kleider, seine Schuhe ... Wo war sie?
    Erst jetzt ging ihm auf, dass der weite Raum des geschützten Alkovens ihm allein gehörte. Nur ein vager Duft nach Rosen, nach leidenschaftlicher Liebe und menschlichen Körpersäften verriet, dass er nicht allein gewesen sein konnte. Aber die Sirene, die ihn in den vergangenen Stunden ebenso heißblütig wie begehrlich gefesselt hatte, war verschwunden. Keine Spur des anmutigen Leibes und der seidigen Mähne.
    Er richtete sich auf, und ein unterdrücktes Stöhnen quittierte die winzigen Kratzer heftig eingesetzter Fingernägel, die auf seiner Haut brannten und rötliche Spuren hinterlassen hatten.

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