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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ordentlich geflochtenen Zopfes, als Justin d'Amonceux ins Zimmer trat. Auch er hatte sich gesäubert und sein Lederwams gegen einen Wappenrock und einen leichten Harnisch vertauscht. Die leuchtend blonden Haare bildeten eine feine Kappe um seinen Schädel, und unter leicht hoch gezogenen Brauen glitzerten die eisblauen Augen kühl und ohne jede Freundlichkeit.
    »So habt Ihr Euch also entschieden, wieder am Leben teilzunehmen«, sagte er an Stelle eines Grußes.
    Roselynne zuckte innerlich zurück. Was hatte sie erwartet? Freundlichkeit? Warum konnte sie sich nicht daran gewöhnen, dass er sie verachtete? Warum schmerzte es jedes Mal aufs Neue? Weil er so herrschaftlich gewandet und makellos vor ihr stand und sie an das Bild erinnerte, das sie jahrelang von ihm im Herzen getragen hatte?
    Es kam noch so weit, dass sie die Stunde herbeisehnte, in der sie sich trennten.
    »Ich habe Hunger«, entgegnete sie, und ihre spröden Lippen ließen die wenigen Worte ebenfalls schroff und unfreundlich klingen, obwohl sie viel eher verzweifelt gemeint waren.
    »Jacques wird Euch zu essen bringen. Seid Ihr bereit, morgen bei Sonnenaufgang aufzubrechen? Ich nehme an, es ist auch in Eurem Sinne, dass wir Montivilliers so schnell wie möglich erreichen.«
    Roselynne warf den Zopf über die Schultern zurück und verflocht die schmalen Hände mit den offenen Handflächen nach unten vor der Taille; jeder Zoll eine Lady, die in beherrschtem Gleichmut Haltung bewahrte. Sie würde sich nicht die Blöße geben und Gefühle zeigen, die ohnehin nicht erwünscht waren.
    »Ist es möglich, dass ich dieses Mal ein eigenes Pferd bekomme?«
    »Das ist auch in meinem Interesse, Mylady«, erhielt sie zur Antwort, dann war er wieder fort. Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, bemerkte Roselynne, dass sie instinktiv doch noch die Hände nach ihm ausgestreckt hatte. Welch eine Dummheit! Sie ließ sie wieder sinken und blinzelte angestrengt. Ihre Augen brannten.

18. Kapitel
    Die schroffen Hügel, die sich unmittelbar zu beiden Seiten des Hafens in den Novemberhimmel erhoben, betteten Fecamp in ein beschütztes Tal. Aber gleichzeitig sorgte diese Lage auch dafür, dass der Wind vom Meer wie in einem Kanal durch die Stadt fegte. Er riss an den Türen und Fenstern, brachte die eisernen Zunftzeichen und Herbergsschilder zum Schwingen und zerrte an den Haubenbändern und Röcken der Frauen. Aber er vertrieb auch den strengen Fischgeruch aus dem Hafen und den Dunst des Unrats und der Ställe aus den Hinterhöfen.
    Roselynne atmete die frische, belebende Brise in tiefen Zügen ein, während ihre Blicke die große Abteikirche fixierten, die auf einem der Hügel die Stadt überragte. Das Symbol von Macht und Glauben ließ sie erschauern. Es war eine Sache, in ihrer Verzweiflung Pläne zu schmieden, aber erst jetzt, da sie vor der unmittelbaren Ausführung stand, wurde ihr bewusst, was es für sie bedeutete.
    War sie wirklich stark genug, um auf alles zu verzichten? Gläubig genug, um nur noch zu gehorchen und zu beten? Sie brachte ihre Zweifel mit Gewalt zum Verstummen. Es war zu spät, um noch etwas daran zu ändern. Jacques hatte sich auf den Weg gemacht, ein Pferd für sie zu kaufen, und wo sich Justin d'Amonceux in diesem Augenblick befand, wollte sie lieber nicht wissen. Sie musste sich darin üben, ihn zu vergessen.
    Dummerweise war ihr Herz dazu trotz allem nicht bereit. Er mochte sie beleidigen, übersehen oder maßregeln, früher oder später fand sie sich immer wieder bereit, diese Rücksichtslosigkeit zu entschuldigen. Mit seinen Augen betrachtet, war sie all das, was er ihr vorwarf. Und die einzige Erklärung, die sie ihm geben konnte, wollte und durfte sie ihm nicht geben.
    Vermutlich würde er ohnehin nicht glauben, dass er der Vater dieses Kindes war, das in ihr wuchs. Er war überzeugt davon, dass sie sich dem Grafen von Duncan ebenso hingegeben hatte wie vermutlich diversen anderen Männern. Die leidenschaftlichen, ausschließlichen Gefühle,, die er in ihr weckte, waren in seinen Augen nichts Einmaliges, sondern nur die einer Dirne.
    Wie immer, wenn ihre Gedanken diesen Punkt erreicht hatten, überflutete sie nach der Verzweiflung hilfloser Zorn. In diesen Augenblicken konnte sie sich vorstellen, ihn zu töten oder ihn wenigstens so nachhaltig zu verletzen, dass er ein Leben lang ihre Narben tragen müsste, so wie sie die seinen.
    Sie wandte sich mit einem Ruck vom Fenster ab und entdeckte, dass genau der Mann hinter ihr stand, mit dem

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