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HERZ HINTER DORNEN

HERZ HINTER DORNEN

Titel: HERZ HINTER DORNEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Aber keine, sonderliche Neigung zur Frömmigkeit. Dass sie sich hinter Klostermauern vergraben will, muss einen Grund haben. Solange ich diesen Grund nicht kenne und verstehe, werde ich nicht aufgeben!«
    Ryan of Hythe dachte noch immer über die grimmigen Worte nach, während er neben seinem König durch die Reihen der gefangenen normannischen Ritter schritt, die mit ihrem Leben für den Gehorsam ihres Herzogs bürgten. Es lag eine seltsame Mischung aus widerwilligem Respekt und mürrischer Resignation über der Gruppe, denn Rufus hatte ihnen eindringlich bewiesen, wer von beiden Brüdern der bessere Feldherr war. Im Gegensatz zu Robert vermochte er trotz allem kühles Blut zu bewahren und den Nutzen vor den flüchtigen Ruhm zu setzen. Seine Lösegeldforderungen würden die Normandie endgültig in die Knie zwingen, daran konnte es keinen Zweifel geben.
    Der Baron wurde indes von einem unerwarteten Tumult aus seinen Gedanken gerissen. Rufus hatte einen der Gefangenen an der Gurgel gepackt, und der arme Kerl zappelte im Griff des Monarchen, ohne den kleinsten Versuch zu machen, sich auch nur zu wehren oder zu rechtfertigen. Seine Kleider waren blutverschmiert und eine böse Schramme verunzierte das schmutzige Gesicht. Aus einer Schulterwunde, die unter dem plötzlichen Angriff wieder aufbrach, strömte frisches Blut. Was hatte der unselige Ritter getan, um den Jähzorn des Königs herauszufordern?
    »Ihr!«, hörte er Rufus in einem Ton knirschen, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. »So sehen wir uns also wieder, Seigneur!«
    Es dauerte einen Augenblick, bis der Baron unter der Schicht aus Schmutz und Blut ein bleiches, edles Männerantlitz erkannte, das eine vage Erinnerung in ihm weckte. Die blutverklebten Haare trugen den Schimmer von hellstem Blond, und am Ende waren es die edelsteinfarbenen Augen, die dazu führten, dass sein Kopf den Namen zu diesem Gesicht lieferte.
    »Justin d'Amonceux!«, rutschte es ihm verblüfft heraus, und der König wandte, den keuchenden Edelmann noch immer in festem Griff, den Kopf nach ihm um.
    »Unsinn, er nennt sich Loup de Luthais und schuldet mir eine ganze Menge von Erklärungen.«
    »Luthais gehört zum Lehen von d'Amonceux«, mischte sich in diesem Augenblick einer der anderen normannischen Ritter ein, um dem halb ohnmächtigen Edelmann zu helfen. »Er ist berechtigt, diesen Namen zu führen, und er tat es auf Befehl unseres Herzogs.«
    »So, so ...« Rufus öffnete seine Fäuste und der Verletzte stürzte keuchend zu Boden. »Kippt ihm einen Eimer Wasser über den Kopf, damit er wieder zu sich kommt. Dann bringt ihn in mein Zelt. Es gibt ein paar Dinge, die ich mit diesem besonderen Grafen zu bereden habe!«
    Er gebrauchte den Titel wie ein Schimpfwort, machte auf dem Stiefelabsatz kehrt und stürmte davon, ohne sich um seine Begleiter oder die anderen Geiseln zu kümmern. Ryan of Hythe nützte die Gelegenheit, einen Feldscher herbeizuwinken. »Verbindet den Mann. Er wird die Fragen des Königs kaum beantworten können, wenn er hier verblutet.«
    Er war sich der verwunderten Blicke bewusst, die sein Befehl hervorrief, aber wie üblich war es ihm egal, was die anderen von ihm dachten. Zu seiner eigenen Verblüffung empfand er so etwas wie Mitleid für den Mann, den seine Gemahlin einmal hatte heiraten wollen. Die Braut zu verlieren und der Vasall eines Verräters zu sein war ein wenig zu viel des Schlechten. Er wollte ihm wenigstens die Möglichkeit geben, dem König wie ein Seigneur von hohem Geblüt Rede und Antwort zu stehen. Kein Mann sollte absichtlich in den Staub getreten werden.
    Justin d'Amonceux mahlte mit den Zähnen, als der Medicus des Königs seine Schulterwunde versorgte. Der Schwerthieb war eher hässlich als lebensgefährlich, aber im Grunde hätte er nichts dagegen gehabt, in aller Ruhe zu verbluten. Er hatte sich mit dem Mut eines Mannes in die Schlacht gestürzt, dem das eigene Dasein nichts mehr galt, und nun musste er enttäuscht entdecken, dass ihm das Schicksal den üblen Streich gespielt hatte, sein Leben zu verlängern.
    Zu allem Überfluss verlieh ihm sein Rang auch noch die zweifelhafte Ehre, unter Rufus' Geiseln zu landen. Es verwunderte ihn nicht, dass ihn das scharfe Auge des Königs auf den ersten Blick entdeckt hatte. Der zweite Wilhelm von England gehörte nicht zu den Männern, die etwas übersahen. Allein, d'Amonceux hätte gern darauf verzichtet, seinen so sehnlich erwünschten Tod auch noch mit dem Pathos verratener

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