Herz im Spiel (German Edition)
Arm über Mr Biggins’ Schreibtisch.
„Wir werden morgen früh bei der Vorstandssitzung darüber beraten“, sagte der Bankangestellte und ignorierte die dargebotene Hand.
„Ja. Natürlich“, setzte Mr Yarnell hinzu.
Naiv und optimistisch, wie er war, hatte Bernie gehofft, seine Angelegenheit an diesem Nachmittag erledigen zu können. In diesem Fall hätte er irgendein Transportmittel mieten und noch am selben Abend die Rückreise antreten können. Statt dessen verließ er die Nationalbank von London, um einen langen, einsamen Abend in seinem Hotelzimmer zu verbringen.
Am nächsten Morgen eilte er in aller Frühe zu dem eindrucksvollen Backsteinbau, der die Nationalbank beherbergte.
„Nun, ich habe sehr gute Nachrichten für Sie, Mr Brewster. Die Bank ist bereit, Ihnen das Geld zu leihen – sobald wir eine Antwort aus Liverpool erhalten. Ehe wir ein Darlehen von dieser Höhe gewähren, müssen wir uns den Wert der fraglichen Pelze bestätigen lassen“, erklärte Biggins.
„Ja. Natürlich“, erwiderte Bernie steif. Er setzte seinen Hut auf und verließ die Bank.
Ein Brief nach Liverpool und zurück würde mindestens eine Woche dauern, und wer wusste, welches Verzögerungsmanöver Mr Biggins als Nächstes fabrizieren würde? Bernie musste die Summe bei einem der privaten Geldverleiher in der Stadt auftreiben und diese zurückgeben, wenn ihm der bereits genehmigte Bankkredit ausgezahlt wurde.
„Wenn es sein muss, geh zu einem Privatmann“, hatte sein Vater ihn angewiesen. „Vor etlichen Jahren habe ich einmal ein Darlehen bei einem Mann Horace Carstairs aufgenommen. Vielleicht erinnert er sich noch an das Geschäft.“
Mr Brewster hatte seinem Sohn Carstairs’ Adresse in der East Coventry Lane gegeben, aber erst jetzt, da er diese Straße finden musste, wurde Bernie klar, dass er sich in der Gegend nicht auskannte.
„Haben Sie sich verlaufen?“
Ein junger Bursche stand auf der Treppe, die zu den Portalen der Nationalbank führte. Er war nicht der Einzige: Mehrere Jungen warteten vor dem Geldinstitut auf eine Gelegenheit, sich ein paar Münzen zu verdienen.
„Ich suche die East Coventry Lane“, sagte Bernie.
Der Junge, der nicht älter als dreizehn sein konnte, wiegte weise das Haupt. „Dann haben Sie Ihren Kredit nicht bekommen“, meinte er.
Bernie blickte erstaunt drein, dann lächelte er. Offenkundig blieb dem Scharfsinn dieses Burschen nichts verborgen. „Ich bekomme mein Darlehen von der Nationalbank schon, aber ich brauche das Geld noch heute.“
Wieder nickte der Junge. „Sie wollen also zu den Geldhaien? Dann brauchen Sie jemand, der Sie hinbringt.“
„Und das bist wohl du?“, fragte Bernie.
Der Junge nahm die Mütze ab und grinste. „Tom Moffit“, stellte er sich vor, „und ich kenn’ das Viertel, wo die Geldverleiher wohnen, wie meine Westentasche. Natürlich ist nix umsonst, Mister“, meinte er warnend. Bernie nickte, zog eine Handvoll Kleingeld aus der Tasche und begann, die Münzen durchzusehen.
„Wie hoch ist dein üblicher Satz?“, fragte er.
„Was Sie da haben, sieht schon ganz gut aus“, sagte Tom und wies mit dem Kinn auf die ganze Handvoll.
Bernie schüttelte den Kopf, reichte dem Jungen aber alle Münzen, insgesamt fast ein Pfund.
Vierzig Minuten später standen sie in einer schmutzigen Gasse. Sie waren auf einem verschlungenen Weg dorthin gelangt, von dem Bernie bezweifelte, dass er ihn wiederfinden würde. Er entschied, dass er sein Geld gut angelegt hatte. Allein hätte er nie hergefunden, und als er sich umblickte, fragte er sich, wie das seinem Vater je gelungen war. Die Gegend wirkte ärmlich und heruntergekommen und ließ kaum vermuten, dass hinter diesen rußgeschwärzten MauernGeld zu haben war. Vielleicht hatte Mr Carstairs in den Jahren, seit Bernies Vater bei ihm Geld aufgenommen hatte, sein Geschäft an einen anderen Ort verlegt.
„Das ist die East Coventry Lane?“, fragte er den jungen Tom schließlich.
„East Coventry Lane sechzehn, ganz wie Sie gesagt haben.“
„Tja, dann nehme ich an, dass ich hier richtig bin“, meinte Bernie. Er hatte zu dem dunklen, heruntergekommenen Gebäude aufgeblickt, und als er sich jetzt zu seinem jungen Führer umdrehte, um ihm etwas zu sagen, war der Junge schon fast um die Ecke verschwunden.
Bernie erinnerte sich daran, wie wichtig diese Sache war. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Anliegen vorzubringen.
„Hallo?“, rief er von der Straße aus. Als niemand antwortete, stieg er
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