Herz im Spiel
hängenden Schultern und schweren Schritten schleppte sich Marianne zur Tür und mühte sich, den Riegel zurückzuschieben. Als ein erleichterter Seufzer ihm verriet, dass sie endlich Erfolg gehabt hatte, blickte er ihr schließlich doch nach. Bevor sie in den Flur hinaustrat, strich sie sich das Haar aus dem Gesicht, straffte die Schultern und reckte das Kinn.
Ihre Tapferkeit und Entschlossenheit rührten ihn. Doch bevor sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, bemerkte er noch, wie ihre Schultern wieder zusammensackten, als laste ein furchtbares Gewicht darauf.
Desmond plagten schreckliche Schuldgefühle. Kein Zweifel, er hätte ihr beinahe schweren körperlichen Schaden zugefügt. Aber noch schlimmer mochte der seelische Schock sein, den er ihr versetzt hatte.
Hier auf Kingsbrook konnte er sie nicht behalten und sich dem Vorwurf aussetzen, den ihre Gegenwart für ihn bedeutete. Und ebenso wenig konnte er sie in ihr altes Zuhausezurückschicken.
Er hatte um ein Mündel gespielt und es gewonnen. Aber jetzt, da er Marianne besaß, was sollte er bloß mit ihr anfangen?
3. KAPITEL
Langsam entkleidete sich Marianne, darauf bedacht, den Blick vom Spiegel abzuwenden, denn sie fürchtete, dort einen sichtbaren Beweis für das, was geschehen war, zu entdecken.
Sie streifte sich das grüne Kleid von den Schultern und ließ es zu ihren Füßen auf den Boden fallen. Unwillkürlich hob sie es hoch und hängte es in ihren Wandschrank, obwohl sie wusste, dass sie sich nie wieder würde überwinden können, es zu tragen.
Marianne zog ihre Unterwäsche aus und goss dann lauwarmes Wasser aus dem Waschkrug in die Schüssel. Sie wusch sich langsam und sorgfältig, aber ohne das panische Bestreben, sich zu reinigen. Sie sagte sich, dass dies jetzt nicht mehr möglich sei, und Tränen rollten ihr über die Wangen.
Ihre Muskeln schmerzten von dem Kampf mit dem großen, kräftigen Mann. Der Kopf tat ihr weh, und ihre Brüste fühlten sich wund an. An intimeren Stellen jedoch spürte sie keinen Schmerz, aber sie war zu verwirrt und zu unwissend, als dass ihr das aufgefallen wäre. Außerdem bereitete die glühende Scham ihr größere Qualen als jede körperliche Verletzung.
Marianne nahm ein langes Flanellnachthemd aus dem Schubfach, in das Alice es früher an diesem Nachmittag gelegt hatte. Sie zog es über den Kopf und kroch dann zwischen die Laken ihres Bettes. Obwohl der Sommer außergewöhnlich heiß war, zog sie die Decken bis zum Kinn hoch, als sei sie durchgefroren wie im tiefsten Winter.
Marianne hätte am liebsten nicht über das Geschehene nachgedacht, aber ihr Kopf schwirrte nur so vor Selbstvorwürfen. Was hatte sie getan, um einen solchen Überfall herauszufordern? Soweit sie sich erinnerte, hatte sie Desmond nicht bewusst provoziert, aber sie war so fasziniert von ihm gewesen. Seine Aufmerksamkeit hatte ihr geschmeichelt, und sie hatte eifrig seine Anerkennung gesucht. Zweifellos war ihm ihr bewundernder Blick herausfordernd erschienen. Wahrscheinlich hatte sie sich, als er mit ihr sprach, zu weit zu ihm hinübergebeugt, oder vielleicht hatte er den Ausdruck ihrer Augen oder die Bewegung ihrer Lippen oder Hände als Aufforderung gedeutet.
Sie stöhnte leise und drehte sich auf die Seite.
Zu ihrer Pein trug noch bei, dass sie so einsam war. Auf der ganzen Welt gab es niemand, bei dem sie Hilfe oder Trost hätte finden, niemand, der ihr hätte raten können. Marianne musste mit dem schrecklichen Erlebnis allein fertig werden, und sie war ein sehr junges Mädchen mit einem äußerst begrenzten Erfahrungshorizont.
Die ganze Nacht über warf sie sich hin und her. Wenn sie kurz einschlief, waren ihre Träume von seltsamen Sehnsüchten erfüllt, und sie erwachte daraus schweißgebadet und noch beschämter.
Doch schließlich wurde es hell, und die Sonne stand hoch am Himmel. Marianne lag immer noch im Bett, die Decken bis zum Kinn gezogen, hellwach und unangenehm erhitzt.
Als sie letzte Nacht ins Bett geschlüpft war, hatte sie sich von ganzem Herzen gewünscht, sie könnte sterben. Doch sie war nicht tot, und während sie sich jetzt sorgenvoll und rastlos hin und her warf, wurde ihr klar, dass sie nicht wirklich den Rest ihres Lebens in diesem Bett verbringen wollte.
Entschlossen presste Marianne die Lippen zusammen, so wie letzte Nacht, bevor sie Desmonds Zimmer verlassen hatte. Sie schlug die Decken zurück und schwang die Beine aus dem Bett.
„Mrs River!“
„Miss Trenton?“
Sie waren sich später im
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