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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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hatte sie dringender einen tröstenden Arm gebraucht.
    „Ach, du meine Güte“, seufzte Mrs River, und angesichts der Tränen in den Augen des Mädchens schwand die letzte Missbilligung, die ihr noch Einhalt gebot. Die Haushälterin trat einen Schritt nach vorn und legte den Arm um Mariannes Schultern, und diese barg das Gesicht an ihrem Busen.
    Wenn Mrs River Mariannes provozierendes Kleid von gestern Abend außer Acht ließ und den Eindruck, Marianne wolle mit Mr Desmond flirten, dann konnte sie nur annehmen, dass sie einenbeklagenswerten Fehler begangen hatte. Die junge Frau war also tatsächlich als Mündel ihres Herrn hier und litt zweifelsohne unter dem kürzlichen Verlust eines Elternteils oder beider. Die Tränen waren damit leicht erklärt, und Mrs River brauchte dem Mädchen nur leicht den Rücken zu tätscheln, während es weinte. „Psst, jetzt“, sagte sie nach einer Weile leise.
    Marianne, die geglaubt hatte, ihr Kummer sei grenzenlos, stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass ihre Tränen versiegten. Sie schniefte, und Mrs River nahm ihr Taschentuch aus dem Gürtel und hielt es ihr hin. Wie ein braves Kind schnaubte Marianne kräftig hinein und fühlte sich noch weiter gestärkt.
    „Besser?“, fragte Mrs River.
    Marianne nickte. Jetzt bekam sie auch noch einen grässlichen Schluckauf. „Ein bisschen“, meinte sie. „Es tut mir leid …“
    „Ach, Kindchen. Ich verstehe Sie.“
    Marianne blickte der Haushälterin ins Gesicht und sah erleichtert, dass sie gar nichts verstand. Was immer Mrs River hinter ihrem Ausbruch vermutete, es war nicht die Trauer um den Verlust ihrer Unschuld.
    „Jetzt gehen Sie hinauf in Ihr Zimmer, waschen sich das Gesicht und kämmen sich das Haar. Es ist fast Mittag, und wenn Sie wieder nach unten kommen, hat Jenny einen heißen Teller Suppe für Sie.“
    Die Suppe war herrlich. Marianne aß sie in einem ruhigen Eckchen in der Küche, und es war die köstlichste Mahlzeit, die sie bisher an diesem Ort zu sich genommen hatte. Mrs River kam etliche Male in die Küche und ging wieder hinaus, und sie trat gerade eben wieder ein, als Marianne mit einem Stück Brot den letzten Tropfen auftunkte.
    „Na also“, sagte die Haushälterin und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, als habe sie soeben eine besonders anstrengende Arbeit erledigt. „Mr Desmond …“
    Erschrocken hob Marianne den Kopf, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und blickte wie gehetzt umher. „Wo? Wo ist Mr Desmond?“
    „Nicht hier. Er ist gar nicht da“, sagte Mrs Rivers begütigend. Lieber Himmel, das Mädchen war ja so nervös wie ein Fohlen! „Ich wollte nur sagen, dass Mr Desmond heute in aller Frühe aufgebrochen ist. Er meinte, er würde ein paar Tage wegbleiben, und das Haus und der Park stünden Ihnen zur Verfügung, während er fort sei. Daher wollte ich bloß wissen, was Sie jetzt vorhaben.“ Die Haushälterin lächelte, und Marianne erwiderte ihr Lächeln, allerdings etwas schwach.
    „Ich weiß nicht“, antwortete sie aufrichtig ratlos.
    „Na, Sie können sich ja wohl nicht in Ihrem Zimmer verkriechen, bis der Herr zurückkommt“, schalt Mrs River sie.
    Aber genau das klang für Marianne sehr einladend. Eilig ging sie wieder auf ihr Zimmer und verbrachte den größten Teil dieses und die erste Hälfte des nächsten Tages dort. Aber dann langweilte sie sich doch und wurde unruhig, denn den fehlenden Schlaf hatte sie auch längst nachgeholt.
    „Aha, sind Sie nun endlich heruntergekommen?“, empfing Mrs River sie am darauffolgenden Nachmittag.
    Marianne errötete leicht. „Was haben Sie denn heute zu tun, Mrs River?“
    „Ach, ich wollte Erbsen für Mrs Rawlins schälen und Alice anweisen, das Glas zu polieren.“
    „Kann ich Ihnen helfen?“, erbot sich Marianne.
    Also pulte sie Erbsen mit Mrs River, und dann polierten Marianne und Alice unter dem wachsamen Blick der Haushälterin das Kristall. An diesem Abend aß Marianne im Dienstbotenquartier, und zum ersten Mal fühlte sie sich hier auf Kingsbrook ganz behaglich, ja fast froh.
    Am nächsten Tag war sie bereit, den Besitz zu erkunden. „Darf ich ein wenig auf dem Gut spazieren gehen?“, fragte sie Mrs River.
    Die ältere Frau lächelte. „Natürlich dürfen Sie das, Kind. Etwas frische Luft kann Ihnen nur guttun.“
    Mrs River nahm einen locker gewirkten Schal von einem Haken und schob Marianne sanft auf die offene Tür zu. Sie zeigte ihr den Fußpfad und schlug einen Weg vor, der sie an den bezauberndsten

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