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Herz im Spiel

Herz im Spiel

Titel: Herz im Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Cheney
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Stellen von Gut Kingsbrook vorbeiführen würde.

    Zaghaft setzte Marianne einen Fuß nach draußen, dann tat sie einen weiteren Schritt. Sobald sie über die Schwelle getreten war, schloss Mrs River schmunzelnd die Tür hinter ihr.
    Der Waldboden war übersät von Farnen, Moos und Efeu. In den Wiesen leuchteten Dahlien und Rittersporn, wilde Orchideen und rote Lichtnelken.
    Der Fußweg führte Marianne über eine gewölbte Holzbrücke, die den plätschernden Bach überspannte. Sie sah noch ein Reh und fragte sich, ob die Tiere auf Mr Desmonds Ländereien wohl zahm gehalten wurden. Sie hatte kein Stück Zucker bei sich, aber sie war sich ziemlich sicher, dass das Reh ihr aus der Hand gefressen hätte.
    Marianne achtete sorgfältig darauf, wohin sie ihre Füße setzte, denn der Konstrukteur des Pfades hatte, wie es schien, in einem Augenblick unwiderstehlichen Schalks die Pflastersteine gefährlich nahe am Bachufer verlegen lassen. Dann aber blickte sie auf und fand sich vor einer gedrungenen steinernen Einfriedung wieder. Sie umschritt sie und entdeckte, dass sie nach oben offen war. Steine waren zu Säulen übereinandergesetzt, die ein schräges Schieferdach abstützten. Das Bauwerk stellte offensichtlich eine Laube dar, ebenso urwüchsig wirkend wie die Landschaft und ebenso bewusst geschaffen.
    Von der hellen, sonnenbeschienenen Wiese aus erschien Marianne das Gebäude finster und abweisend. Nervös spähte sie umher. Doch dann holte sie tief Luft, um sich Mut zu machen, und stieg die Stufen hinauf. Zwischen zwei Säulen hindurch trat sie in das schattige Innere wie in eine Höhle. Aber sobald sie einmal drinnen war, stellte sie fest, dass es ein angenehmer Schlupfwinkel war, mit einer glatten Steinbank, auf der man rasten konnte.
    Marianne setzte sich.
    Sie blickte auf die Wiese hinaus und lauschte dem Rascheln des Grases, das sich im sanften Wind bewegte. Zwischen den dunklen Steinsäulen auf das sonnenüberflutete Panorama hinauszusehen, war, als schaue man in eine andere Welt – ein helleres, unschuldigeres Gefilde. Mariannes Augen brannten, und Tränen rollten ihr die Wangen herunter. Dies war eine Welt, in die sie jetzt nicht mehr gehörte.
    Nicht nur wegen des Geschehenen, sondern wegen der dunkleren Erinnerungen, die sich in ihr Bewusstsein stahlen: das Bild von Mr Desmond, wie er, halb angekleidet, vor ihr gestanden hatte, die bloßen Beine an ihre Röcke gepresst, wie sie seine kräftige Hand und seine Finger auf ihren Brüsten und auf der empfindsamen Haut ihrer Oberschenkel gespürt hatte.
    Unwillkürlich stellte sie sich vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn Mr Desmond langsamer vorgegangen und sie eine willige Gespielin gewesen wäre. Sie schaffte es einfach nicht, die schändlichen Gedanken von sich zu schieben. Über diese Angelegenheit wurde viel geflüstert und gekichert, und Marianne fragte sich, warum solch ein Aufhebens darum gemacht wurde. Ihr hatte der Akt kein besonderes Vergnügen bereitet. Tatsächlich konnte sie sich an „den Akt“ überhaupt nicht erinnern.
    Sie hätte gern gewusst, ob er, unter den richtigen Umständen, so lustvoll sein konnte, wie manche Leute behaupteten. Als sie jedoch versuchte, sich diese richtigen Begleitumstände vorzustellen, traten allerlei unschickliche Bilder vor ihr inneres Auge, und rasch versuchte sie, sich abzulenken.
    Marianne schlug die Hände vors Gesicht, bemühte sich, die Bilder nicht zu sehen, bemühte sich, wieder das Mädchen zu sein, das sie noch vor einer Woche gewesen war, doch in ihrem Herzen wusste sie, dass ihre einstige Unschuld nun unwiederbringlich verloren war.
    Sie bemerkte nicht, dass sich noch jemand auf der friedlichen kleinen Lichtung aufhielt, bis sie das Knirschen von Schuhen auf den Steinstufen, die in die Laube führten, vernahm. Erschrocken hob sie den Kopf und sah genau in die Augen des Mannes, die sie gerade zu vergessen versuchte. Ihr schien, als hätte sein tiefer, durchdringender Blick beinahe ein Brandmal auf ihrer Haut hinterlassen.
    Entsetzt keuchte sie auf.
    Desmond zuckte zusammen, als hätte sie ihm ins Gesicht gespuckt.
    Als sie jetzt vor ihm zurückwich, sich vor ihm verschloss, erschien sie ihm wie eine zarte Rosenknospe. Desmond wurde klar, dass er diese Blüte verletzt hatte, und heiß stieg ihm ungewohnte Scham in die Wangen.
    Er räusperte sich. „Guten Tag, Miss Trenton“, sagte er.

    Sie gab keine Antwort, sondern beobachtete ihn nur misstrauisch.
    Er trat einen weiteren Schritt in die Laube hinein,

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