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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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geschehen.

    Der Schmied hatte ein gutes Augenmaß, er brauchte das Eisen nur wenig nachzurichten, dann konnte es erneut an den Huf gebracht und schließlich genagelt werden.
    »Schau dir den Sattel an«, flüsterte der Geselle. »Wenn der nicht in Schottland gemacht worden ist, dann fresse ich drei Hufnägel zum Frühmahl.«
    »Was ist dabei? Kann er nicht seinen Sattel kaufen, wo er mag?«
    Der Schmiedegeselle zog die Nase hoch und spuckte in weitem Bogen aus.
    »Ein dreckiger Schotte ist der. Ein Spion vielleicht sogar.«
    »Hast du Flöhe im Hirn, Bursche? Weshalb sollte er dann wohl nach London reiten?«
    »Und wenn er gelogen hat? Wieso trägt er einen Bart? Kein Ritter läuft mit einem solchen Vollbart herum, es sei denn, er will sein Gesicht verbergen.«
    »Scher dich rein und bring mir zwei andere Hufnägel - diese hier sind zu kurz!«
    Der Schmied war selbst schottischer Abstammung, was er jedoch nicht an die große Glocke hängte, denn die Engländer waren auf seine Landsleute schlecht zu sprechen. Doch insgeheim hing er an seiner Heimat - wenn dieser Bursche dort ein Schotte war, wünschte er ihm nur das Beste. Er wurde ungeduldig, wie lange brauchte dieser Esel von Geselle, um zwei passende Nägel zu finden?
    Gerade als der Geselle über den Hof stolperte, vernahm man plötzlich Hufschlag. Es waren mehrere Reiter, ein ganzer Trupp, man hörte Sporen klirren, hölzerne Schwertscheiden schleiften gegen eiserne Kettenhemden. Gleich darauf war der Platz vor der Schmiede voller Gewappneter, das Wasser der Pfützen
spritzte auf, und der Schmied hatte Mühe, den Hengst zu halten.
    »Das ist sein Pferd!«, brüllte ihm jemand in die Ohren. »Wir haben ihn!«
    Der Tumult war gewaltig, man packte den Schmiedegesellen, dann auch den Schmied selbst und drohte ihnen, sie auf der Stelle zu erschlagen, wenn sie nicht verrieten, wo der verfluchte Schotte sich verborgen hielt.
    »Er saß eben gerade noch auf dieser Bank«, jammerte der Geselle. »Ich habe mir gleich gedacht, dass er ein dreckiger Schotte ist. Schon weil sein Sattel …«
    »Schwatz nicht, Bursche! Wo ist er hin?«
    Niemand konnte es sagen. Die Ritter durchwühlten die Schmiede, zerbrachen die wenigen Töpfe und Schemel, warfen alle Werkzeuge durcheinander und stocherten sogar in der Asche herum.
    »Er wollte nach London«, murmelte der Schmied.
    Raues Gelächter antwortete ihm, dann erhielt er einen Stoß und fiel rücklings in eine Pfütze.
    »Willst du uns foppen? Dort kommt er gerade her. Er und seine Kumpane haben versucht, den Verräter Braveheart aus dem Kerker zu befreien. Steckst du etwa mit ihm unter einer Decke, Schmied?«
    Der Schmied war kein Held und schwor Stein und Bein, den Ritter noch nie zuvor in seinem Leben gesehen zu haben. Auch der Geselle jammerte, denn man hatte ihn mit Faustschlägen traktiert. Die Ritter spornten ihre Pferde an und ritten davon, schwärmten in kleinen Gruppen aus und durchkämmten die Umgebung nach dem Flüchtling. Der Himmel schien ihr Vorhaben zu unterstützen, denn gerade jetzt verzogen sich die Wolken, und die Morgensonne ließ Wälder und Wiesen in saftigem Grün erstrahlen.

    »Hoffentlich kriegen sie das Schwein!«, keuchte der Geselle und rieb sich den schmerzenden Rücken.
    Der Schmied starrte in dumpfer Wut auf seine ramponierte Werkstatt, die Kerle hatten auch unter dem Dach gesucht und dort alles durcheinandergeworfen, es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten die Schindeln abgedeckt.
    Gleich darauf waren laute Rufe zu hören, Schwerter schlugen aufeinander, Jubel erklang, dann wieder Flüche.
    »Wenn er in den Wald läuft, nützen ihnen ihre Pferde gar nichts«, bemerkte der Schmied grimmig. Der Geselle lachte höhnisch auf.
    »Das sind an die zwanzig gegen einen!«
    Er hatte Recht, die Chancen des Flüchtlings waren sehr gering. Der Schmied dachte kurz nach, dann packte er den Hengst beim Zügel und zog ihn in seinen Stall.
    Den Sattel würde er heimlich verschwinden lassen, doch das Pferd war eine Menge wert. Er würde ein Weilchen warten, dann fragte gewiss niemand mehr danach, woher er das Tier hatte.
    Und falls der Besitzer tatsächlich irgendwann zurückkehren sollte, konnte er immer noch sagen, er habe es nur für ihn untergestellt und versorgt. Dazu hatte er das Recht - schließlich schuldete der Ritter ihm noch das Geld für das Beschlagen.

Kapitel 2
    Northumberland
    Brianna nahm weder das beständige Geruckel des Wagens noch das ärgerliche Schnaufen ihres Mitfahrers wahr. Verträumt

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