Herzklopfen für Anfänger
konntest du nur?«
»Jonathan, hör auf! Es ist nicht wichtig. Du brauchst das nicht zu wissen. Nichts davon würde auch nur irgendwie nützen. Ich bin doch hier, oder?«
Er steht so dicht vor mir, dass ich die Wärme spüre, die seine Haut ausstrahlt. Ein Muskel an seinem Kinn zuckt.
»Nicht wichtig! Natürlich ist es wichtig! Du stehst da und erklärst mir, du schläfst mit einem anderen Mann, und willst mir sagen, es sei nicht wichtig? Himmel …«
Er hebt die Hand, und instinktiv hebe auch ich den Arm. Jetzt habe ich wirklich Angst. Er ist ganz anders als sonst. Mein Verhalten scheint ihn zu schockieren, und er blickt mich entsetzt an. Dann setzt er sich wieder an den Tisch und legt den Kopf auf seine Unterarme. Seine Schultern beben, und ich sehe, dass er weint.
Wenn jemand weint, der einem lieb ist, legt man im Allgemeinen die Arme um ihn, gibt tröstende Geräusche von sich und sagt, dass alles wieder gut wird. Das mag eine Menge für sich haben, aber mir wurden zwei Dinge klar. Zum einen stellte ich fest, dass mir Jonathan tatsächlich sehr lieb war – ein schlichter, erhebender Moment, der auch dadurch nicht an Bedeutung verlor, dass er nicht der Mann war, den ich liebte, wahrhaft liebte. Zum anderen erkannte ich, dass ich ihn nicht umarmen und trösten wollte. Danach würden wir nämlich wahrscheinlich wieder achtzehn Jahre lang nicht miteinander reden. Und ich könnte außer Vorhängen waschen nicht viel tun. Wir mussten eine neue Richtung einschlagen. Also zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich ihm gegenüber.
»Sollen wir über Constance Perkins reden?«, sagte ich.
Einen Moment lang ließ er den Kopf noch auf dem Tisch liegen, dann hob er ihn. In seinen Augen stand keine Überraschung.
Nur Schmerz.
»Was soll das?«, sagte er trüb. »Was kann ich dir darüber sagen?«
»Zum Beispiel, dass es dir leidtut.«
»Himmel, Sally! Das weißt du doch! Sonst wäre ich schließlich nicht hier, oder? Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie leid …«
»Okay«, sagte ich. Ich spürte, wie mir übel wurde. »Vielleicht könntest du mir dann von ihr erzählen. Du könntest mir erklären, was du dir dabei gedacht hast. Du könntest …«
Ich brach ab. Was genau? Er hatte recht. Es war zwecklos. Wertlos. Nutzlos.
»Nein«, sagte ich ruhig. »Lass uns nicht über sie reden. Lass uns über etwas viel Wichtigeres reden. Lass uns über Tricia reden.«
Sein Kopf fuhr hoch. Und mir wurde sofort klar, dass wir das nicht zu tun brauchten. Achtzehn, nein, zwanzig lange Jahre war sie tot – und dieser winzige Funke Wut in seinen Augen sagte mir alles, was ich wissen musste.
»Was?«, zischte er und starrte mich an. »Himmel, Sally! Tricia?«
»Ja, Tricia«, wiederholte ich wütend. »Die wahre andere Frau in deinem Leben.«
»Ach, du liebe Güte, Sally. Was soll das denn jetzt?«
»Sag nicht ›du liebe Güte‹, Jonathan. Wag es nicht! Sie ist der wahre Grund, warum wir an diesem Punkt angekommen sind. Siehst du das denn nicht, Jonathan?«
Er blickte mich kalt an und stand auf.
»Ich kann nicht mehr mit dir reden«, sagte er.
Nachdem er die Tür hinter sich zugeknallt hatte, stand ich ein paar Minuten in der Küche und starrte trüb aus dem Fenster. Die Luft war abgestanden und drückend. Er hatte getrunken. Er hatte Gott weiß wie viel getrunken. Ich ergriff die Flasche und musterte sie. Sie war zu zwei Dritteln voll. War sie denn noch ganz voll gewesen? Nein, sie war ja bereits bei Bobs und Androullas Besuch geöffnet worden.
Ich hörte ein Geräusch. Er hatte den Motor angelassen. Als ich zur Diele rannte und die Haustür aufriss, bog er bereits um die Ecke.
Und dann war es wieder still. Eine hohle Stille. Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wusste nicht, wie ich den nächsten Satz beginnen sollte. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Mein Handrücken war feucht, ich sank auf die Knie und vergrub mein Gesicht an Merlins Hals. Mein Hund liebte mich. Er liebte mich über alles.
Aber ich konnte nicht ewig hier sitzen bleiben. Ich musste etwas tun. Aber was? Wohin war er gefahren? Sollte ich einfach aufbleiben und auf ihn warten? Ins Bett gehen? Ich ging in die Küche und kochte mir einen guten starken Kaffee. Dann gab ich Merlin ein Hundeplätzchen und setzte mich hin, um nachzudenken.
***
Sie war auf dem Friedhof an der St Mark’s Church beerdigt worden. Beerdigt, nicht verbrannt, damit es ein Grab zu besuchen gab. Damit Morgan an ihrem Geburtstag, am Jahrestag ihres
Weitere Kostenlose Bücher